Landdinge und Bedeverhandlungen (vor 1438)

Vorläufer der Landtage

Mitbestimmung bei monarchischen Entscheidungen war bereits im 13. Jahrhundert im Reich zum festen Bestandteil der politischen Ordnung geworden. Das passt zu allgemeinen Tendenzen auch in anderen Regionen Europas.

Bekannt war das Prinzip allerdings schon länger aus dem geistlichen Bereich, wo ein Bischof bei wichtigen Entscheidungen auf das Einverständnis seines Domkapitels angewiesen war. Auch bei den sich emanzipierenden Kommunen war dem Bürgermeister ein Rat beigesellt.

Als Vorbild auf Reichs- wie Landesebene können überdies auch kirchliche Konzile angesehen werden. Hier hatte es schon lange sogar geheißen: „Was alle angeht, muss von allen gebilligt werden.“

Das Verhältnis zwischen Landesherrn und „Landschaft“, also Ständen auf Landesebene, war häufig von einem Miteinander gekennzeichnet – wenn auch von deren Gleichberechtigung nicht die Rede sein konnte.

Literaturhinweis:

Landdinge

Die ältere Forschung fasste gelegentlich unter dem Begriff "Landtag“ auch einen älteren Typ politischer Versammlungen, das "Landding“, das im sächsischen Raum vom Ende des 12. bis Mitte des 13. Jahrhunderts dokumentiert ist.

Es ist wenig bekannt über die anwesenden Personen und die Themen, die auf den Landdingen verhandelt wurden. Doch ist es kaum vorstellbar, dass dort nicht auch politische Fragen besprochen wurden.

Landdinge fanden an unterschiedlichen Orten statt, die jeweils nur für einen bestimmten Landesteil der Wettiner standen. Es lassen sich in der Zeit von 1185 bis 1259 an den drei Orten Collm, Delitzsch und Schkölen 25 Landdinge nachweisen. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam das Landding dann außer Gebrauch.

Neben Adligen aus den verschiedenen Herrschaften der Markgrafen, ihren Notaren und Schreibern besuchte teilweise auch die höhere Geistlichkeit, Domherren und Äbte, die Versammlungen, gelegentlich auch Bischöfe. Bürger und Bauern mussten zwar nicht erscheinen, waren aber auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Dass immer auch Personen aus anderen wettinischen Herrschaften zugelassen waren, macht die Treffen zwar noch nicht zu „"Landesversammlungen“. Es ist es allerdings ein Argument dafür, dass die Zusammenkünfte den Charakter von erweiterten Hoftagen annehmen konnten.

Literaturhinweis:

Schon Landdinge waren ein gesellschaftlicher Zentralort

Zu den Landdingen kam, wer Rang und Namen hatte, sie fanden grundsätzlich unter dem persönlichen Vorsitz des Markgrafen statt. Bei den Treffen ging es meist um Besitzfragen, aber auch um Vergleiche und Friedensschlüsse.

Landding und der spätere Landtag hatten einen unterschiedlichen Charakter. Aber allein schon der zeitliche Abstand von bald zwei Jahrhunderten, die zwischen dem letzten Landding und ersten Landtag lagen, sprechen gegen die These von einer Kontinuität der beiden Versammlungstypen.

Gleichwohl boten auch die Landdinge zu ihrer Zeit wichtigen Entscheidungsträgern aus den wettinischen Herrschaften regelmäßig Gelegenheit zum persönlichen Austausch. Sie stellten daher wie Landtage neben dem markgräflichen Hof einen gesellschaftlichen Zentralort dar.

Ein frühes Landding von 1185

Das früheste Zeugnis für ein Landding im meißnischen Raum liegt mit einer lateinischen Urkunde Markgraf Ottos (des Reichen) vor. Otto trifft nach Verhandlungen mit Abt Witlieb von Altzelle am 2. August 1185 Bestimmungen zu den Landbesitzungen des Klosters, insbesondere aber bezüglich der dort entdeckten und vermuteten Silbererzvorkommen. Ihnen verdankte er nicht zuletzt seinen Reichtum und späteren Beinamen.

Am Ende erklärt Otto, dass er nach Beschluss des Landdings einen festen Frieden für die genannten Besitzungen verkündet habe.

Bedeverhandlungen

Im Grunde genommen war der Gedanke, der bei den Bedeverhandlungen zum Ausdruck kam, in der feudalen Welt schon lange vorgeprägt: Der Herr hatte "Schutz und Schirm“ zu gewähren, also den inneren und äußeren Frieden zu garantieren. Dafür standen ihm von den Vasallen "Rat und Hilfe“ zu, also politische wie militärische Leistungen – und in Zeiten der sich entwickelnden Geldwirtschaft zunehmend auch Finanzhilfen.

Allerdings waren Adel wie Klerus grundsätzlich von ordentlichen Steuern befreit. Dies hieß, dass der Fürst nur außerordentliche Leistungen erwarten konnte, also eine Beisteuer erbitten musste, was in der Vormoderne "Bede“ genannt wurde. Das Wort Bede ist denn auch verwandt mit „Bitte“.

Steuern sollten noch lange Zeit jeweils nur für einen bestimmten Bedarf, vor allem in einem Notfall und keineswegs regelhaft auferlegt werden. Das ließen sich die Betroffenen vom Fürsten immer wieder aufs Neue versprechen.

Wie die meisten anderen Fürsten kam es auch bei den Wettinern seit dem späteren Mittelalter zu gravierenden Engpässen bei der Finanzierung der kostspieligen Hofhaltung und des vor allem durch die Stellung von Söldnern immer teurer werdenden Kriegswesens.

Die vor allem Naturaleinkünfte einbringenden fürstlichen Herrschaften warfen nicht immer genug Bares ab. Seit Mitte des 14. Jahrhunderts versiegten zudem die Silbererzvorkommen im Freiberger Revier, was erst im letzten Drittel des nächsten Jahrhunderts mit der Entdeckung neuer Vorkommen im Westerzgebirge ausgeglichen werden konnte.

Hier lag der Gedanke an Sondersteuern nahe, die zunächst von den kapitalkräftigen Handelsstädten im Land erwartet, dann aber auch an den Adel und die Geistlichkeit herangetragen wurden. Der Landesherr war im Laufe der Zeit in Finanzfragen also immer mehr auf die Unterstützung der Stände angewiesen, die ihm umgekehrt seine "Bitten“ kaum abschlagen konnten.

Zu Rat und Hilfe verpflichtet – Die erste Bedeverhandlung der Stände der gesamten Markgrafschaft Meißen im Jahre 1385

Von der ersten Bedeforderung an die Stände des gesamten Machtbereichs eines Markgrafen wissen wir durch eine deutschsprachige Pergamenturkunde des Markgrafen Wilhelm I. (der Einäugige) vom 12. März 1385. Sie richtet sich dem Wortlaut nach an Adel, Geistlichkeit und Städte, also die maßgeblichen drei Stände, aus dem Wilhelm drei Jahre zuvor bei der Chemnitzer Teilung zugefallenen meißnischen Landesteil.

Bei dem "Revers“ handelt es sich um die fürstliche Bestätigung der Vereinbarung mit den Ständen. Darin verspricht Wilhelm eine derartige Steuer in Zukunft nicht wieder zu verlangen, es sei denn – da Gott vor sei – er erleide einen Schaden wegen Kriegsläuften.

Zum Zeugnis und zur Erhöhung der Sicherheit habe er sein Siegel, das damals wichtigste Beglaubigungsmittel, anbringen lassen. Es hängt auch heute noch mit einem Pergamentstreifen der Originalurkunde an.