Spätestens alle fünf Jahre sind die Sachsen aufgerufen, ihre Landtagsabgeordneten zu wählen. Jeder Wähler hat dabei zwei Stimmen: eine Direktstimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Listenstimme für die Wahl einer Partei.
Die Abgeordneten werden nach einem Verfahren gewählt, das die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet.
60 Abgeordnete werden nach Wahlkreisvorschlägen in den Wahlkreisen, also durch Persönlichkeitswahl gewählt. Weitere 60 gelangen über die Landeslisten, also durch die Verhältniswahl in den Landtag.
Das Wahlverfahren regelt die Art und Weise, mit der die Wählerstimmen in Parlamentsmandate umgerechnet werden.
Wahlberechtigt sind – mit wenigen gesetzlichen Ausnahmen – alle deutschen Staatsbürgerbürger mit Hauptwohnsitz in Sachsen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (Aktives Wahlrecht).
Gewählt werden können alle Wahlberechtigten, die seit mindestens zwölf Monaten ihre Hauptwohnung in Sachsen haben (Passives Wahlrecht). Damit soll sichergestellt werden, dass mögliche Kandidaten Land und Leute gut kennen, bevor sie sich um ein Mandat bewerben. In der Regel sind Kandidaten fest mit einer Region oder Stadt verbunden, die ihnen vertraut ist.
Genauso wichtig wie die Entscheidung für eine Partei oder Person ist die korrekte Stimmabgabe. Dabei kommt es immer wieder vor, dass sich die Wähler über die Bedeutung ihrer beiden Stimmen nicht genau im Klaren sind. Das Zweistimmensystem ist in der Tat nicht ganz einfach, lässt sich aber in wenigen Schritten erklären:
1. Jeder Wähler hat zwei Stimmen, mit denen er die Verteilung der 120 Landtagsmandate beeinflusst: eine Direktstimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten (Direktbewerber) und eine Listenstimme für die Wahl der Landesliste einer Partei.
2. Obwohl beide Stimmen gleichwertig sind, beeinflussen allein die Listenstimmen die Sitzverteilung im Landtag, da anhand von ihnen die prozentuale Zusammensetzung des Parlaments errechnet wird. Sie entscheiden über das anteilsmäßige Verhältnis der Parteien im Parlament zueinander. Bei der Verteilung der Sitze werden dabei nur Parteien berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der abgegebenen Listenstimmen erhalten (Fünf-Prozent-Klausel) oder in mindestens zwei Wahlkreisen ein Direktmandat (Alternativ-Klausel) errungen haben. Sie können dann so viele Personen von ihrer Landesliste in den Landtag entsenden, wie Mandate auf sie entfallen sind.
3. Die errungenen Direktstimmen einer Partei, also die erfolgreichen Wahlkreiskandidaten, werden auf die ihr zugesprochene Gesamtzahl der Sitze im Landtag angerechnet. Sie sind dabei vorrangig gegenüber den Listenkandidaten. Auf diese Weise erhält die Entscheidung der Wähler eine stärker personalisierte Note, entscheidet die Direktstimme doch über den Gewinn eines der 60 Wahlkreise durch einen Kandidaten.
4. Hat eine Partei dabei mehr Direktmandate als Listenmandate gewonnen, entsteht ein sogenannter Überhang. Sie kann mehr Plätze im Landtag besetzen, als ihr verhältnismäßig zustehen. Für die Überhangmandate einer Partei erhalten die anderen im Parlament vertretenen Parteien sogenannte Ausgleichsmandate. Dieser Ausgleich geschieht, bis die ursprüngliche verhältnismäßige Verteilung der Sitze wiederhergestellt ist. Was Gerechtigkeit schafft, vergrößert das Parlament über seine Normgröße hinaus. Das übergroße Parlament ist dann gewissermaßen der Preis für den Erhalt der von den Wählern bestimmten politischen Kräfteverteilung.
Die Umrechnung der Wählerstimmen in die 120 Abgeordnetenmandate des Sächsischen Landtags erfolgt seit 2023 nach einem bestimmten Auszählverfahren – dem Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguë, § 6 SächsWahlG. Dabei nehmen an der Verrechnung nur Parteien teil, die mindestens fünf Prozent der abgegebenen gültigen Listenstimmen erhalten oder in mindestens zwei Wahlkreisen ein Direktmandat errungen haben (Grundmandatsklausel).
Dieses Sitzzuteilungsverfahren ist nach Jean-André Sainte-Laguë (1882–1950), einem französischen Professor der Mathematik, benannt. Oft wird das Verfahren auch als Sainte-Laguë/Schepers bezeichnet. Der deutsche Physiker Hans Schepers war Leiter der Gruppe Datenverarbeitung des Deutschen Bundestages und schlug 1980 eine Modifikation des Sitzzuteilungsverfahrens nach d’Hondt vor, um die Benachteiligung kleinerer Parteien bei diesem Verfahren zu vermeiden. Schepers kam mit einer anderen Berechnungsmethode zu eben jenen Ergebnissen wie das 1912 von Sainte-Laguë entwickelte Verfahren.
Die Anzahl der Sitze wird proportional zu den Listenstimmen verteilt. Es werden die für jede Landesliste einer Partei insgesamt abgegebenen Listenstimmen zusammengezählt und die Gesamtstimmenzahl einer jeden Landesliste nacheinander solange durch 0,5; 1,5; 2,5; 3,5 und so weiter geteilt, bis so viele Höchstzahlen ermittelt sind, wie Sitze zu vergeben sind. Die sich daraus ergebenden sogenannten Höchstzahlen werden nun absteigend sortiert. Danach können die Sitze verteilt werden. Die Partei mit der größten errechneten Zahl erhält den ersten Sitz.
Wahlergebnis (Listenstimmen)
Zuteilung von 12 Sitzen
Partei A | Partei B | Partei C | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
Erhaltene Stimmen | 10.000 | 7.600 | 1.300 | |||
Teiler | Höchstzahl | Sitzfolge | Höchstzahl | Sitzfolge | Höchstzahl | Sitzfolge |
: 0,5 | 20.000 | (1) | 15.200 | (2) | 2.600 | (8) |
: 1,5 | 6.666 | (3) | 5.066 | (4) | 867 | |
: 2,5 | 4.000 | (5) | 3.040 | (6) | ||
: 3,5 | 2.857 | (7) | 2.171 | (10) | ||
: 4,5 | 2.222 | (9) | 1.689 | (12) | ||
: 5,5 | 1.818 | (11) | 1.381 | |||
danach zuzuteilende Sitze: | 6 | 5 | 1 |
Hat eine Partei die Mehrheit der Stimmen, aber nach der Berechnung nicht entsprechend viele Sitze bekommen, so erhält sie zunächst einen zusätzlichen Sitz, bevor die restlichen Sitze wie üblich verteilt werden.
Von der Zahl der zuzuteilenden Sitze werden nun die Direktmandate, die die Kandidaten der jeweiligen Partei errungen haben, abgezogen.
Beispiel:
Kandidaten der Partei A haben 3 Direktmandate gewonnen. Partei A stehen insgesamt 5 Sitze bzw. Mandate zu.
5 – 3 = 2
Es verbleiben für Partei A 2 Sitze bzw. Mandate, die der Reihenfolge nach an die Kandidaten der Landesliste von Partei A vergeben werden.
Die Zahl der gewonnenen Direktmandate kann größer sein als die Zahl der zuzuteilenden Sitze. Es entstehen Überhangmandate.
Beispiel:
Kandidaten der Partei B haben 5 Direktmandate gewonnen. Partei B stehen aber nur 4 Sitze bzw. Mandate zu. Partei B bekommt ein Überhangmandat. Alle 5 Gewinner der Direktmandate ziehen in den Landtag ein.
Gewinnt eine Partei Überhangmandate, erhalten die hierdurch benachteiligten Parteien Ausgleichsmandate. Die Zahl der Ausgleichsmandate darf die Zahl der Überhangmandate nicht übersteigen.
Durch Überhang- und Ausgleichsmandate kann sich die Gesamtzahl der regulären 120 Sitze im Sächsischen Landtag entsprechend erhöhen.
Für die Sitzverteilung in den zahlreichen Ausschüssen sowie für Berechnung der Ausschussvorsitze je Fraktion wird im Sächsischen Landtag allerdings das Höchstzahlverfahren nach d’Hondt angewandt.
Ausführliche Informationen zu den Wahlen auf Gemeinde- und Kreisebene sowie zu Landtags-, Bundestags- und Europawahlen im Freistaat Sachsen sowie zum sächsischen Parteiensystem hat die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung in dem Buch "Wahlen und Parteien in Sachsen" zusammengestellt. Das Buch ist im Juli 2024 erschienen.
Wie genau gewählt wird, wer wahlberechtigt ist oder wer gewählt werden kann, ist in der