Festveranstaltung "75 Jahre Grundgesetz"

Datum 23.05.2024

Grundgesetz mit Torte auf einem Tisch

Am 23. Mai 2024 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 75 Jahre alt. Der Sächsische Landtag und die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung würdigten dieses Jubiläum mit einer gemeinsamen Feierstunde im Plenarsaal des Sächsischen Landtags.

Jubiläumsfeier im Sächsischen Landtag

Detailansicht öffnen: Auf einem Tisch stehen eine Ausgabe des Grundgesetzes sowie eine Torte.
Dokumentation der Veranstaltung

An der Veranstaltung nahmen rund 250 Gäste teil, darunter zahlreiche Mitglieder des Sächsischen Landtags, des Bundestages, der Staatsregierung sowie des öffentlichen Lebens. An die Ansprachen des Landtagspräsidenten Dr. Matthias Rößler und des Direktors der Landeszentrale für politische Bildung Dr. Roland Löffler schloss sich eine musikalische Lesung des Berliner Ensembles OPUS 45 zusammen mit dem Schauspieler Roman Knižka an.

Die Feierstunde mit allen Reden und einem Interview mit Roman Knižka ist in einer Veranstaltungsdokumentation (online lesen) zum Nachlesen erschienen (bestellbar über den Publikationsversand).

 

Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler: "Freiheit statt Unterdrückung, Rechtsstaatlichkeit statt Willkür, Friedfertigkeit statt Gewalt, Volksherrschaft statt Diktatur"

Detailansicht öffnen: Grußwort des Landtagspräsidenten Dr. Matthias Rößler
Das Grundgesetz gehört zu den größten Errungenschaften der deutschen Geschichte, so Dr. Rößler anlässlich der Feierstunde im Parlament.
Detailansicht öffnen: Gäste der Feierstunde im Plenarsaal, Blick von oben
250 Gäste verfolgten die Feierstunde zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes im Parlament.

Zum Jubiläum "75 Jahre Grundgesetz" sagte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler in seiner Ansprache:

"Das Grundgesetz gehört zu den größten Errungenschaften der deutschen Geschichte. Es entstand als Gegenentwurf zum totalitären NS-Staat. Das bedeutete Freiheit statt Unterdrückung, Rechtsstaatlichkeit statt Willkür, Friedfertigkeit statt Gewalt, Volksherrschaft statt Diktatur. 

Am 3. Oktober 1990 schlug auch für uns Sachsen die glückliche Stunde der freiheitlichen Demokratie. Wir erkämpften sie in der Friedlichen Revolution für uns selbst. In freier Selbstbestimmung vollendeten wir die Einheit und Freiheit unseres Landes. 

81 Prozent der Deutschen sind davon überzeugt, dass sich das Grundgesetz bewährt hat. In Ostdeutschland liegt diese Zahl um die 70 Prozent. Auch bei uns wissen die Bürger die Versprechen, die ihnen das Grundgesetz gibt, zu schätzen. Dahinter dürfen wir nicht wieder zurückfallen. Eine Demokratie kann nur freiheitlich sein. 

Mit dem Grundgesetz haben wir eine wehrhafte Demokratie, um unsere Staatsform vor ihren Feinden und vor Extremismus jeglicher Form wirksam zu schützen. 

Das Grundgesetz setzt uns die Leitplanken aus Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auf diesem Fundament aber brauchen wir einen offenen Diskurs: Demokratie lebt von Wettbewerb, vom Ringen um Argumente und Lösungen. Machen wir uns die Mühe und ringen wir um die besten Ideen für unser Land, den Freistaat Sachsen, für Europa. Besonders in diesem Jahr mit den drei vor uns liegenden Wahlen. Erliegen wir nicht der Versuchung, unbequeme Meinungen auszuschließen. Reden und Handeln wir mit Respekt und Anstand."

Dr. Roland Löffler: "Verfassungstage sind wie Wahltage Festtage der Demokratie und Wegmarken der Selbstvergewisserung einer Nation."

Detailansicht öffnen: Dr. Roland Löffler, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung
Dr. Roland Löffler, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung
Detailansicht öffnen: Bunter Blumenschmuck steht am Rednerpult , im Hintegrund sind Fahnen zu sehen.
Löffler: "Die Bundesrepublik ist und bleibt eine Parteiendemokratie."

Dr. Roland Löffler, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, bezeichnete in seiner Rede Verfassungstage - ebenso wie Wahltage - als "Festtage der Demokratie und Wegmarken der Selbstvergewiiserung einer Nation".

"Wichtiger als neue Regularien ist die feste Verankerung einer demokratischen Verfassungskultur in den Köpfen und Herzen der Menschen, eine kritische Öffentlichkeit, die zu den Grundwerten und zum Grundverständnis unseres Rechtsstaates steht und diesen zu verteidigen bereit ist. Unsere Demokratie lebt von den Menschen, die Regeln und Verfahren mit Leben erfüllen und die demokratische Praxis wachsen lassen – auf den unterschiedlichsten Ebenen, die unseren Staat und unsere Gesellschaft prägen.

Eine wichtige Voraussetzung einer lebendigen Demokratie – oder man könnte auch sagen: ein Ausdruck des Verfassungspatriotismus – ist die praktische Verantwortungsübernahme der Bürgerinnen und Bürger in Staat und Gesellschaft."

Dies betreffe das Engagement in Vereinen und Verbänden, in Gewerkschaften und Kirchen, in sozialen Einrichtungen, im Zivilschutz und im Sport, in Kultur und im internationalem Austausch. Vor allem aber brauche es das Engagement in Parteien und in der Politik. "Die Bundesrepublik ist und bleibt auf Parteien angewiesen, sie bleibt eine Parteiendemokratie. Sie braucht aktive Bürger, die sich engagieren wollen, aber auch Strukturen in den Parteien, die ein Engagement der Bürger attraktiv machen."

Musikalische Lesung mit Schauspieler Roman Knižka

Detailansicht öffnen: Schauspieler Roman Knizka während der Lesung im Plenarsaal
Schauspieler Roman Knižka feierte das Grundgesetz mit einer mahnenden Liebeserklärung.
Detailansicht öffnen: Die Musiker von OPUS 45 im Plenarsaalrund.
Das Bläserquintett OPUS 45 setzte den musikalischen Rahmen für die Lesung.

Nach den beiden Ansprachen betrat der Schauspieler Roman Knižka das Plenarsaalrund. In seiner rund 80-minütigen Darbietung „Eine mahnende Liebeserklärung an das deutsche Grundgesetz“ setzte er Szenen aneinander, die sich dem Grundgesetz aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln näherten. Diese waren mal witzig und unterhaltsam, bisweilen stimmten sie aber auch nachdenklich.

So nahm Knižka beispielsweise die Rolle eines Quizmasters ein und stellte seinen Musikern, die die Ratenden mimten, die Frage. „Die Menschenwürde ist, A: unbegreiflich, B: unantastbar oder C: unbequem?“ Die rund 300 Gäste der Feierstunde mussten über die ungewöhnlichen Antworten schmunzeln, erst recht, als Knižkas Kollegen absichtlich falsch tippten. Die Entstehung des Grundgesetzes spielte der Schauspieler als eine Art Puppentheater nach. Statt Figuren unterhielten sich jedoch eine Teetasse, ein Hamburger, ein Baguette und eine Vodka-Flasche, gedacht als Symbole der Besatzungsmächte, miteinander. Deutschland, über dessen Zukunft in diesem Augenblick verhandelt wurde, kam als personifizierte Bratwurst daher.

Mit diesem durchaus ironischen Unterton schritt der Hauptdarsteller durch 75 Jahre deutsche Verfassungsgeschichte. Unter anderem sprach er eine Lobeshymne auf das Grundgesetz, gehalten vor einer falschen Geburtstagstorte. In wieder einer anderen Szene rezitierte Roman Knižka Gedanken zur Menschenwürde. Zum Thema Gleichberechtigung erklang die Stimme von Elisabeth Selbert, die 1949 dem Parlamentarischen Rat angehört hatte.

Geschichte des Grundgesetzes

Detailansicht öffnen: Bürgerinnen und Bürger auf der Besuchertribüne, darunter zahlreiche Angehörige der Bundeswehr in Uniform.
Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, darunter viele Angehörige der Bundeswehr, verfolgten die Feierstunde auf der Besuchertribüne des Plenarsaals.
Detailansicht öffnen: Dr. Roland Löffler und dr. Matthias Rößler singen mit den Gästen die Nationalhymne.
Zum Schluss der Veranstaltung sangen Dr. Matthias Rößler und Dr. Roland Löffler mit allen Gästen die Nationalhymne.

Drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trat 1948 der Parlamentarische Rat zusammen, um der Bundesrepublik Deutschland, eine demokratische Verfassung zu geben: das Grundgesetz. Die Entstehung des Grundgesetzes ist geprägt von den Schrecken und Verbrechen der Nazizeit. Aus diesem Grund sollten die Grundrechte des einzelnen Menschen den Mittelpunkt der Verfassung bilden: Demokratie, Rechtsstaat, Gewaltenteilung sowie der Schutz der Menschenwürde und der Grundrechte. Nie wieder sollte der Staat den Menschen instrumentalisieren und beherrschen können: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Das Grundgesetz ist ein großes Geschenk für Deutschland und keine Selbstverständlichkeit. Dies gilt es immer ins Bewusstsein zu rufen. Auch der Freistaat Sachsen hat sich bei seiner Verfassung an dem Grundgesetz orientiert und einen kompletten Grundrechte-Katalog erstellt, was eine Besonderheit zu anderen Ländern darstellt. Die Demokratie lebt jedoch nicht nur von den richtigen Artikeln in der Verfassung, sondern davon, dass die Bürger sie tragen, verteidigen und beschützen auch gegen diejenigen, die sie zu untergraben versuchen. Der 23. Mai ist daher für die Landesparlamente, wo sich die Demokratie durch die Arbeit des Parlaments in besonderer Weise manifestiert und erlebbar wird, ein wichtiger Feiertag: als Würdigung dieser Errungenschaft, aber auch als Mahnung, dass eine vitale, wehrhafte und gelebte Demokratie kein Selbstläufer ist.