Grundgesetz mit Torte auf einem Tisch

Roman Knižka im Gespräch

Grundgesetz feiern und interpretieren

Wenige Tage vor dem Jubiläum stand uns Schauspieler Roman Knižka für ein Interview in seiner Geburtsstadt Bautzen zur Verfügung. Im ehrwürdigen Stucksaal des Oberverwaltungsgerichts auf der Ortenburg sprachen wir über seine Beweggründe, sich immer wieder aufs Neue künstlerisch mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen, wie Kultur dazu beitragen kann, einen „Appell an das eigene Gewissen“ zu richten und warum das Grundgesetz als tragfähiges Fundament einer demokratischen Gesellschaft unerlässlich ist.

Wie werden die Beiträge für die Lesung ausgewählt?

Die Idee zum Programm hatte unser Hornist und Manager Benjamin Comparot bereits vor etwas mehr als zwei Jahren. Von ihm stammen auch die Quizfragen zu Beginn. Am Anfang steht eine intensive Lese- und Recherchephase, man liest, wählt aus, diskutiert, hadert, verwirft, ordnet wieder neu … Das ist ein langer und (fast) immer sehr schöner Prozess. Weh tun mitunter Kürzungen am Ende: „Kill Your Darlings“ nennen wir es intern. Sobald die inhaltliche Konzeption der Dramaturgin, in diesem Fall Maria-Elena Hackbarth steht, tritt die Musikauswahl hinzu. Die Musik kann korrespondierend, sie kann aber auch kontrapunktisch zu den Texten stehen. Nach einem sehr schönen Text kann die Musik auch einmal einen Bruch erzeugen, kann wehtun. Unser Anspruch ist es, dass sich Text und Musik am Ende für jeden hörbar brauchen, ja bedingen. 

Welche Botschaft möchten Sie dem Publikum vermitteln?

Die fabelhaften Musiker von OPUS 45 und ich möchten im Kern Werbung für die Demokratie machen. Umso besser wir über unsere Vergangenheit Bescheid wissen, umso mehr wissen wir, wo wir nicht wieder hinwollen. Wir möchten Denkanstöße geben, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger.

Welchen Beitrag kann Kunst bei der Vermittlung von Demokratie leisten?

Kultur ist das Rückgrat, das seelische Rückgrat einer Nation und einer Gesellschaft. Wir möchten den Menschen nicht vorgeben, was sie aus unseren Auftritten konkret mitnehmen sollen. Es ist vielmehr ein Appell an das eigene Gewissen des Publikums. Ich bin kein Politiker. Ich bin Künstler und kann die Menschen so auf einer anderen Ebene erreichen.

Sie setzen sich immer wieder mit der deutschen Geschichte auseinander. Das Repertoire des Ensembles umfasst musikalische Lesungen zum jüdischen Leben in Deutschland, zum Ghetto Theresienstadt, zum Krisenjahr 1923 und vieles mehr. Was bewegt Sie zu diesem Engagement?

Uns geht es im Kern um Demokratieförderung und darum, dass es oft keine gute Sache ist, wenn sich Geschichte wiederholt. Unsere sieben Programme sind allesamt politisch bildend, aber eben sinnlich, mit den Mitteln der Kunst. Wir alle müssen uns miteinander arrangieren. Wer das nicht verstanden hat, hat die Demokratie nicht verstanden. Die Menschheitsgeschichte zeigt uns doch, dass es einem Volk nie gut getan hat, Autokraten hinterherzulaufen. Ich kann das einfach nicht nachvollziehen und möchte dem etwas entgegensetzen.

Welcher Artikel liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Ganz klar der erste Artikel: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Ihm ordnen sich alle anderen Artikel unter.

Seit zehn Jahren arbeiten Sie mit OPUS 45 zusammen…

Eine lange Zeit. Am Anfang nutzte ich die Lücken zwischen Dreharbeiten, um tageweise mit dem Ensemble aufzutreten. Das hat sich mittlerweile umgedreht. Die Nachfrage nach unseren Konzerten ist so groß, dass meine Agentin darauf achten muss, dass genügend Zeit für Dreharbeiten bleibt. Denn natürlich möchte ich auch weiterhin Filme drehen.

Sie stammen aus Bautzen, leben heute in Berlin. Was bedeutet das Grundgesetz für unsere Region?

Die Zeitzeugen spürten wohl spätestens im Juni 1953, was die Grundrechte in unserer DDR-Verfassung wirklich wert waren. Jetzt leben wir in einer Demokratie, die zu gestalten natürlich auch jede Menge Arbeit macht. Die Zeiten, in denen die Regierung eine Ansage macht und man sich dranhalten muss, sind vorbei. Gut so.  Grundgesetzartikel 5, Absatz 1, der freie Rede und Pressefreiheit garantiert, Zensur dagegen verbietet, bedeutet einem ehemaligen „Republikflüchtling“ wie mir ebenfalls sehr viel.

Mit welchen Gefühlen schauen Sie heute auf Ihre Heimatstadt Bautzen?

Wenn ich heute durch Bautzen laufe und mit damals vergleiche, ist es wie Tag und Nacht. Diese Stadt leuchtet. Sie leuchtet wirklich. Ich komme jedes Jahr mindestens einmal hierher und sehe die großen Fortschritte, die die Stadt macht.

Spielen Sie selbst eigentlich auch ein Instrument?

Ich bin als kleiner Junge zum Klavierunterricht gegangen. Ich hatte aber keine allzu großen Ambitionen, sodass kein guter Klavierspieler aus mir geworden ist. Mein Instrument ist die Stimme.

Was ist als nächstes Projekt mit OPUS 45 geplant?

Am 8. Mai 2025 jährt sich das Ende des von Hitler-Deutschland begonnenen Zweiten Weltkriegs zum achtzigsten Mal. Aus diesem Anlass ist das Programm „Dass ein gutes Deutschland blühe …“ entstanden. Es nimmt das Deutschland der Jahre 1945 bis 1949 in den Blick. Premiere ist am 6. Oktober 2024.

Herzlichen Dank für das Gespräch.
Interview: Katja Ciesluk, Romy Zimmermann

Roman Knižka

Roman Knižka wurde 1970 in Bautzen geboren und verbrachte dort seine Kindheit. An der Semperoper in Dresden erlernte er den Beruf des Theatertischlers. 1989 verließ er die DDR noch vor dem Mauerfall über die Grüne Grenze. Nach seinem Studium an der Bochumer Schauspielschule spielte er zunächst am dortigen Schauspielhaus und begann dann, sich einen Namen in TV-Dramen, Liebesfilmen, Krimis und Kinoproduktionen zu machen. Neben seiner Tätigkeit als Schauspieler spricht er regelmäßig Hörbücher und Hörspiele ein. Seine markante, wandlungsfähige und einnehmende Stimme begeistert sowohl Kinder als auch Erwachsene. Roman Knižka ist Schirmherr der Aline-Reimer-Stiftung, einer Initiative, die krebskranke Jugendliche und junge Erwachsene unterstützt. Der Künstler ist Vater von zwei Söhnen und lebt in Berlin.