Immunitätsausschuss trifft Vorentscheidung zur Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Conrad Clemens

33/2025 Datum 09.04.2025

Zur heutigen Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten erklärt die Vorsitzende Susan Leithoff: 

„Der Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten hat heute im Wege einer Vorentscheidung beschlossen, dem Landtag die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Conrad Clemens zu empfehlen. 

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses gilt als Entscheidung des Landtags, sofern nicht innerhalb von sieben Tagen nach ihrer Verteilung ein Abgeordneter Widerspruch einlegt. Im Falle eines Widerspruchs entscheidet das Plenum des Sächsischen Landtags auf seiner nächsten Plenarsitzung über die Beschlussempfehlung.

Weiterhin hat der Ausschuss Veranlassung gesehen, in einem Begleitbeschluss folgende grundsätzliche Feststellungen zu Fragen der Immunität von Abgeordneten zu treffen:  

1. Die Immunität der Abgeordneten des Sächsischen Landtages genießt durch Art. 55 Abs. 2 SächsVerf Verfassungsrang. Sie schützt die Abgeordneten vor strafrechtlicher Verfolgung und dient so dem Schutz der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Landtages als Staatsgewalt. Der Immunität der Abgeordneten kommt auch im freiheitlichen Verfassungsstaat eine erhebliche Bedeutung zu. Das Bundesverfassungsgericht hat die fortwährende Bedeutung der Immunität auch in jüngerer Zeit immer wieder hervorgehoben. Es hat zudem betont, dass der einzelne Abgeordnete einen Anspruch darauf hat, dass sich das Parlament bei der Entscheidung über die Aufhebung der Immunität nicht von sachfremden, willkürlichen Motiven der Strafverfolgungsbehörden leiten lässt.

2. Um sowohl den Schutz der Funktionsfähigkeit des Parlamentes zu gewährleisten als auch dem Anspruch des Abgeordneten auf eine willkürfreie Entscheidung über die Aufhebung der Immunität gerecht zu werden, kommt der Ausgestaltung des Verfahrens eine erhebliche Bedeutung zu. Der entsprechende rechtliche Rahmen sowie die konkrete Verfahrensausgestaltung bilden daher ein formstrenges Regelungsgefüge, dessen Beachtung und Einhaltung durch alle Verfahrensbeteiligten zwingend geboten ist, um der Bedeutung der Immunität jederzeit vollumfänglich Rechnung zu tragen.

3. Die Einleitung strafprozessualer Maßnahmen, welche nicht von der generellen Einwilligung des Sächsischen Landtages umfasst sind, ohne vorherige Aufhebung der Immunität stellt eine schwerwiegende Verletzung der Rechte des Landtages als Gesamtorgan und des verfassungsrechtlichen Status des betroffenen Abgeordneten dar. Dies gilt auch für die Erteilung eines rechtlichen Hinweises nach § 81 OWiG ohne die vorherige Aufhebung der Immunität. Durch den rechtlichen Hinweis wird das Bußgeldverfahren ins Strafverfahren übergeleitet und damit ein Abgeordneter wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen. Der Hinweis darf daher erst erteilt werden, nachdem der Landtag auf Antrag des Gerichtes die Immunität aufgehoben hat. 

4. Die Regelungen der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtags zum Verfahren zur Aufhebung der Immunität eines seiner Mitglieder sind Ausdruck der besonderen Schutzfunktion des Sächsischen Landtages. Sie entfalten als spezifisches Parlamentsrecht auch Außenwirkung für die Gerichte und Behörden. Sie sind durch diese zwingend zu beachten.

5. Da die Immunität vornehmlich dem Schutz des Parlamentes als Ganzes dient, steht sie auch nicht zur Disposition durch den betroffenen Abgeordneten. Strafverfolgungsmaßnahmen, welche nicht von der generellen Einwilligung des Sächsischen Landtages umfasst sind, bedürfen auch bei Einverständnis des Abgeordneten damit, zwingend der Aufhebung der Immunität.

6. Eine Aufhebung der Immunität kann stets nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen. Eine ex-tunc-Aufhebung, welche bis zu diesem Zeitpunkt getroffene und vollzogenen Strafverfolgungsmaßnahmen mithin nachträglich legitimieren soll, scheidet mit Blick auf einen effektiven Schutz durch die Immunität aus. Andernfalls würde der Zweck der Immunität, die Abgeordneten vor Verfolgung zu schützen, erheblich gefährdet und Sinn und Zweck der Verfassungsnorm vollständig entleert.

7. Dem Präsidenten des Landtages kommt als Hüter der Geschäftsordnung die Aufgabe zu, auf die Einhaltung der Regeln und Verfahren zur Aufhebung der Immunität zu achten. Er ist deshalb befugt, eingegangene Anträge auf Aufhebung der Immunität darauf zu prüfen, ob diese den formellen Anforderungen der Geschäftsordnung genügen und jedenfalls evident mangelhafte Anträge zurückzuweisen.“

Hintergrund: 
Bei Entscheidungen über Anträge auf Aufhebung der Immunität ist der Schutz der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Landtags unter Berücksichtigung der Belange des betroffenen Abgeordneten mit dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse abzuwägen. Eine Beweiswürdigung findet dabei nicht statt. Die Entscheidung über die Aufhebung der Immunität stellt daher keine Feststellung von Schuld oder Unschuld des betroffenen Abgeordneten dar. Bei Anträgen, die Verstöße gegen die Verkehrsvorschriften betreffen, soll die Immunität grundsätzlich aufgehoben werden.
Das Verfahren zur Aufhebung der Immunität regelt die vom Sächsischen Landtag beschlossene „Richtlinie in Immunitätsangelegenheiten sowie über das Verfahren bei Ermächtigungen gemäß § 90b Absatz 2, § 194 Absatz 4 StGB“. Diese Richtlinie ist als Anlage 3 (ab Seite 59) der Geschäftsordnung des 8.  Sächsischen Landtags beigefügt.