FSJ-Politik: Bildungstage im Landtag 2025

Datum 27.03.2025 bis 28.03.2025

Landtagspräsident Alexander Dierks spricht mit Jugendlichen im Saal 1 und zeigt etwas mit seinen Händen.

P-o-l-i-t-i-k: Das ist kein abstrakter Begriff, der in dicken Gesetzbüchern verstaubt und nur endlose Debatten mit sich bringt. Politik ist das Ringen um Ideen, ein Kampf um Mehrheiten und das Treffen von Entscheidungen, die unser aller Leben beeinflussen. Für 34 junge Freiwillige wurde der Sächsische Landtag für zwei Tage zum politischen Klassenzimmer, in dem sie nicht nur zusahen, sondern auch selbst mitgestalteten – ein Perspektivwechsel, der zeigte, wie lebendig und gleichzeitig herausfordernd Demokratie sein kann.

Demokratie zum Anfassen

Der erste Bildungstag begann für die Gruppe des FSJ-Politik mit einem Blick hinter die Kulissen: eine kurze Führung durch den Landtag, viele Zahlen und Fakten über die aktuelle Wahlperiode, Mehrheitsverhältnisse und politische Dynamiken. Für die FSJlerinnen und FSJler war all das kein Neuland – doch etwas Entscheidendes war anders:  Hier geschieht Politik nicht auf dem Bildschirm in den Nachrichten, sondern direkt vor Ort – live, unmittelbar, spürbar. Genau das konnten sie anschließend in der Plenarsitzung von der Besuchertribüne aus beobachten: hitzige Wortgefechte, das Aufeinanderprallen von Argumenten, geschickte rhetorische Manöver – das volle Spektrum parlamentarischer Auseinandersetzung, das sich in diesem Moment im Plenarsaal entfaltete. Die Rednerinnen und Redner wechselten zwischen sachlicher Analyse und scharfem Schlagabtausch, zwischen ruhiger Überzeugungsarbeit und pointierten Sticheleien gegen die politische Konkurrenz. Hier wurde klar, wie politische Entscheidungen zustande kommen – und dass es dabei weniger um schwarz-weiß, sondern mehr um komplizierte Grautöne geht.

Kritische Fragen, klare Antworten

Nach einer kurzen Stärkung zum Mittag kam der direkte Kontakt zur Politik im Freistaat: ein Gespräch mit Abgeordneten verschiedener Fraktionen. Am Rande der laufenden Plenardebatte nahmen sich Martin Dulig (SPD), Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) und Nam Duy Nguyen (Die Linke) die Zeit, um mit der Gruppe des FSJ-Politik ins Gespräch zu kommen. Doch wer dachte, es würde bei nettem Smalltalk bleiben, lag völlig falsch. Die FSJlerinnen und FSJler waren keine unkritischen Zuhörer, sie waren bestens vorbereitet und stellten viele präzise und auch unbequeme Fragen und forderten klare Antworten: Wodurch wurden die Abgeordneten politisiert? Wie viel Idealismus steckt noch in denjenigen, die täglich politische Kompromisse schließen müssen? Und was passiert mit politischen Überzeugungen, wenn sie auf die Realität im Landesparlament treffen? Das Gespräch nahm schnell an Tempo auf. Persönliche Erfahrungen mischten sich mit tagesaktuellen Debatten: Haben Sie selbst schon Anfeindungen wegen Ihrer politischen Haltung erlebt? Wie begegnen Sie dem Vertrauensverlust in der Politik? Wie stehen Sie zum Wahlalter, zum Landeshaushalt, zur Bildungspolitik? 90 Minuten lang standen die Abgeordneten Rede und Antwort, mal sachlich, mal leidenschaftlich, mal konfrontativ. Am Ende wurde klar: Die Fragen hätten sicherlich für eine weitere Diskussion gereicht. Denn Politik lebt vom Austausch – und dieser war an diesem Nachmittag alles andere als oberflächlich.

Zum Abschluss des Tages stand ein Treffen mit Landtagspräsident Alexander Dierks auf dem Programm. Doch statt einer reinen Einführung in parlamentarische Abläufe entwickelte sich schnell eine lebhafte Diskussion: Was sind Ihre Aufgaben außerhalb des Plenums? Wann muss ein Landtagspräsident in hitzige Debatten eingreifen? Wie agiert man zwischen der überparteilichen Neutralität und eigener politischer Haltung? Das Gespräch zeigte: Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie braucht Menschen, die sie gestalten und Verantwortung übernehmen.

Politik selbst gemacht

Nach einem Tag voller Fakten, Zuschauen und Gesprächen war die FSJ-Gruppe an Tag zwei selbst an der Reihe: In einem Planspiel zur Gesetzgebung schlüpften sie in die Rolle von Abgeordneten und erlebten den Weg vom Gesetzentwurf bis zur finalen Abstimmung. Das Thema: Videoüberwachung auf Gängen und Schulhöfen in Schulen. Die größte Herausforderung? Die Rollenverteilung erfolgte per Zufall, ebenso die Standpunkte der einzelnen Fraktionen. Persönliche Meinungen mussten zurücktreten. Es galt, die vorgegebene Position überzeugend zu vertreten.

Zum Auftakt trafen sich die „Abgeordneten“ in ihren Fraktionen und später in Arbeitskreisen, in denen die jeweilige Haltung zum Gesetzentwurf geschärft wurde. Welche Argumente sprechen dafür, welche dagegen? Wie kann man die noch Unentschlossenen überzeugen? Erste Strategien entstanden, Positionen wurden geschärft. In den darauffolgenden Ausschusssitzungen prallten die ersten Argumente aufeinander. Hier zeigte sich zum ersten Mal, welche Fraktionen kompromissbereit waren und welche ihre Positionen um jeden Preis durchsetzen wollten. Zurück in der Fraktionssitzung wurden die Ergebnisse aus den Ausschüssen bewertet, Redebeiträge formuliert und rhetorische Strategien verfeinert. Denn der Höhepunkt des Planspiels stand bevor: die Debatte mit Abstimmung im Plenarsaal.

Dann wurde es ernst: Im Plenarsaal des Sächsischen Landtags trafen die „Abgeordneten“ zusammen, um am Rednerpult ihre Standpunkte zu verteidigen, die Gegenseite zu konfrontieren und zu versuchen, Unentschlossene auf ihre Seite zu ziehen. Die Reden waren mitreißend, die Argumente scharf – und so manche merkten, wie herausfordernd es ist, vor einem großen Publikum zu sprechen, unter dem Druck der geringen Redezeit und den Zwischenfragen der politischen Konkurrenten einen klaren Kopf zu bewahren. Nach der Debatte und drei Rederunden folgte die finale Abstimmung: Würde der Gesetzentwurf in dieser Form verabschiedet oder abgelehnt werden? Doch das Votum per Handzeichen fiel eindeutig aus: Mit deutlicher Mehrheit wurde eine Videoüberwachung an Schulen abgelehnt. So stand am Ende eine demokratische Entscheidung. Und für die „Abgeordneten“ die Erkenntnis, dass Politik nicht nur Überzeugung erfordert, sondern auch strategisches Denken, Kompromissbereitschaft, rhetorisches Geschick und Mut, für die eigenen Ideen einzustehen.  Eigenschaften, die auch in der realen Politik über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

Das Planspiel zeigte eindrucksvoll, wie komplex und vielschichtig der Gesetzgebungsprozess ist und das, obwohl die Abläufe hier noch stark vereinfacht waren.

Politik erleben, statt nur darüber reden

Nach zwei Bildungstagen verließen die FSJlerinnen und FSJler den Landtag mit einem neuen oder schärferen Blick auf die Landespolitik in Sachsen. Sie haben nicht nur Reden gehört, sondern auch selbst diskutiert. Sie haben nicht nur über Demokratie gesprochen, sondern sie erlebt.

Politik ist kein fernes Konstrukt das über die Köpfe der Menschen hinweg entscheidet. Politik ist ein Spielfeld, auf dem jeder mitgestalten kann - sie ist das Ergebnis von Auseinandersetzung, Kompromissen, Entscheidungen und von Menschen, die bereit sind Verantwortung zu übernehmen. Genau das haben die jungen Freiwilligen in den zwei Tagen im sächsischen Parlament erlebt und bewiesen. Und vielleicht war es für einige ein weiterer Schritt auf ihrem eigenen politischen Weg.

Hintergrund: FSJ-Politik – ein Jahr mittendrin

Das FSJ-Politik bietet jungen Menschen die Möglichkeit, ein Jahr Politik hautnah zu erleben. Es gibt vielfältige Einsatzstellen in ganz Sachsen: z. B. in Stadtverwaltungen, Stiftungen, Jugendringen, politisch aktiven Vereinen, Staatsministerien oder dem Parlament. Hier tauchen Freiwillige in den politischen Alltag ein, begleiten Entscheidungsprozesse und bringen sich aktiv ein. Doch nicht nur die Praxis zählt: Bei regelmäßigen Bildungstagen kommen die FSJlerinnen und FSJler zusammen, diskutieren aktuelle Themen, vertiefen ihr Wissen und tauschen Erfahrungen aus. Das FSJ-Politik ist eine Chance für alle, die Politik nicht nur verstehen, sondern mitgestalten wollen.

Autorin: Magdalena Portack, FSJ-Politik im Sächsischen Landtag