„Setzt Euch ein für diese Nation!“ Festakt zum Tag der Deutschen Einheit 2019

Datum 03.10.2019 bis 03.10.2019

New York Grand Central Terminal

Seit 1991 richtet der Sächsische Landtag am Tag der Deutschen Einheit einen Festakt aus. Daran nehmen neben Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zahlreiche Bürgerinnen und Bürger teil. In diesem Jahr stand die Feierstunde ganz im Zeichen des 30. Jahrestags der friedlichen Revolution.

Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler rief zu Beginn die Bürger zum Zusammenhalt auf. Neben dem Fleiß aller seien es die innere Solidarität, die staatliche Stabilität und der gesellschaftliche Zusammenhalt gewesen, welche die Deutschen in den vergangenen 30 Jahren vorangebracht haben. Daran müsse man festhalten: „Wenn aus Unterschied Polarisierung, aus Streit Zerrissenheit wird, und der Konflikt den Kompromiss dominiert, dann ist das der falsche Weg.“ Am 3. Oktober 1990 sei ein zerrissenes Volk wiedervereinigt worden. „Lassen Sie uns die Stabilität und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nie wieder aufs Spiel setzen. Bewahren wir die unverbrüchlichen demokratischen Spielregeln um jeden Preis.“

 

Das „Wir“ ist wichtig

 

Die Demokratie sei nie fertig, betonte Rößler. Die Gesellschaft müsse stets klar diskutieren, wie es weitergehen solle: mit Europa, beim Klimaschutz oder in den Fragen der Migration. „Die Stärke einer freien Gesellschaft liegt in ihren vielen unterschiedlichen Sichtweisen sowie in der Fähigkeit, diese – wenn auch oft mühsam – in Kompromisse zu binden.“ Wenn er aus dem Herbst 1989 eines gelernt habe, dann wie wichtig das „Wir“ sei, das ein gemeinsames Ziel sucht und so die Spaltung überwindet. Ein zentraler Ruf der friedlichen Revolution von 1989 sei nicht für umsonst „Wir sind ein Volk!“ gewesen. Als demokratische Aufforderung an eine Bürgergesellschaft, die sich füreinander verantwortlich fühlt, habe der Ruf Aktualität.

 

„Wir haben Deutschland gestaltet“

 

Ministerpräsident Michael Kretschmer beschrieb die vergangenen 30 Jahre in Deutschland als Zeit dreifacher Wunder. Zunächst habe das Wunder der friedlichen Revolution gelingen können, weil mutige Menschen in der DDR für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf die Straße gegangen seien. Ein Jahr später habe es das Wunder der Deutschen Einheit gegeben, bei dem Menschen die Kraft und die Vision hatten, ein Ganzes zu schaffen. Schließlich sei auch die Gestaltung des Landes seither ein Wunder, das alle gemeinsam geschaffen hätten. „Wir in Deutschland, in Ost wie in West, wir haben in den vergangenen 29 Jahren dieses Land aufgebaut.“ Kretschmer räumte dabei Niederlagen und verpasste Chancen ein. Er habe sich zum Beispiel eine gemeinsam erarbeitete Verfassung für die Bundesrepublik gewünscht. Viele andere Chancen habe man aber genutzt. Zugleich warb er für kritische Diskussionen und einen ehrlichen Blick auf Probleme. Es gehe darum, das Land besser zu machen. Dies erfordere, miteinander zu reden, einander zuzuhören und daraus konkrete Politik zu entwickeln.

 

„Mut und Verantwortung für die Gemeinschaft“

 

Die Festrede hielt in diesem Jahr Ulrich Wickert. Der 1942 in Tokio geborene Fernsehjournalist leitete von 1984 bis 1991 das Pariser ARD-Studio und berichtete während der mitteleuropäischen Umbrüche aus der französischen Hauptstadt. Von 1991 bis 2006, ganze 15 Jahre lang, war er Erster Moderator bei den Tagesthemen in Hamburg. Er ist Autor zahlreicher Romane und Sachbücher. Sein neuestes Buch trägt den Titel: „Identifiziert Euch! Warum wir ein neues Heimatgefühl brauchen“.

 

Ja, man könne und solle in Sachsen stolz sein auf die eigenen Heimat und stolz sein auf das, was der Tag der Deutschen Einheit, der 3. Oktober, verkörpere – Einigkeit und Recht und Freiheit, hob Wickert an. „Die Ostdeutschen haben mit ihrem Mut, mit der Überwindung von Angst, mit ihrer Hartnäckigkeit im Kampf für Freiheit der deutschen Identität ein wichtiges Element hinzugefügt. Sie haben friedlich eine Diktatur niedergerungen. […] Auf den Erfolg der friedlichen Revolution, auf den erkämpften Sieg der Freiheit können alle Deutsche stolz sein, sie müssen es sich nur bewusst machen.“

 

Ein solcher bewusster Teil der Identitätsbildung sei wichtig, so Wickert. Identität dürfe dabei aber nicht angewandt werden, um einen Teil der Bevölkerung ein- und einen anderen auszuschließen. In einem modernen Verständnis sei jeder Bürger ein Träger der Nation. Jeder habe Verantwortung für den Zustand der Gesellschaft und müsse handeln, wenn sich undemokratische Entwicklungen andeuten. Wickerts Aufruf war folglich deutlich: „Übernehmen Sie Verantwortung für die Gemeinschaft! Ja, ich will es sogar noch etwas pathetischer formulieren, da wir heute unseren nationalen Feiertag begehen: Setzt Euch ein für diese Nation!“

 

Entscheidend sei dabei ein angemessener, ein geschichtsbewusster Umgang mit der eigenen Nationalität und der Frage, was die deutsche Nation ausmache. Wickert ging darauf ausgiebig ein und bündelte seine Gedanken in Anlehnung an den französischen Staatsphilosophen Charles de Montesquieu in dem Satz: „Ich bin aus Notwendigkeit Mensch und Deutscher aus Zufall.“ Zwar könne eine Person Respekt für seine nationalen Werte beanspruchen, doch allgemeingültig seien diese nicht. Als Mensch stehe eine Person immer unter dem Schutz der allgemeingültigen Menschenrechte. In dieser Abstufung der Wertigkeiten liege die angemessene Bedeutung einer nationalen Identität. Wer danach urteile, der werde zu einer differenzierten Wahrnehmung von Menschen gelangen. Wer hingegen behaupte, er sei aufgrund seines Wesens Deutscher und dank seiner deutschen Qualität Mensch, der verdrehe die Rangfolge. Vielmehr, so Wickert, „wäre es angebracht, wenn die Deutschen ihr Deutschsein nicht so fürchterlich wichtig nähmen. […] Keiner sollte meinen, er sei besser als die anderen. Sondern alle sollten stolz sein auf das, was dieser 3. Oktober bedeutet: der Sieg der Freiheit durch eine friedliche Revolution und der Beweis von Mut und Verantwortung.“

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Broschüre zum Festakt

Alle Reden der Veranstaltung sowie ein Interview mit Ulrich Wickert können Sie in der Festschrift nachlesen.

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