Gesprächskreis im Ständehaus "Jüdisches Leben in Gefahr? Antisemitismus in Deutschland und Europa"

Datum 15.11.2023

Über 100 Gäste sitzen im Großen Saal des Ständehauses und hören der Ansprache von Dr. Matthias Rößler zu.

Zu den "Dresdner Gesprächskreisen im Ständehaus" lädt Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler regelmäßig hochkarätige Persönlichkeiten ein, um aktuelle gesellschaftspolitische Fragen zu erörtern. Zu Gast war diesmal der Historiker und Publizist Prof. Dr. Michael Wolffsohn. Er sprach zum Thema "Jüdisches Leben in Gefahr? Antisemitismus in Deutschland und Europa".

Wolffsohn-Rede in Dresden: „Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus sind drei Quellen des Antisemitismus“

In einer nachdenklichen Rede am gestrigen Mittwochabend in Dresden hat Prof. Dr. Michael Wolffsohn über die aus seiner Sicht „Hauptquellen von Antisemitismus in Deutschland und Europa“ gesprochen. Der Historiker und Publizist hielt auf Einladung von Sachsens Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler einen Vortrag beim Gesprächskreis im Ständehaus zum Thema „Jüdisches Leben in Gefahr? Antisemitismus in Deutschland und Europa“. Unter den rund 110 Gästen waren u. a. Vertreter der jüdischen Gemeinden und anderer Religionsgemeinschaften, Sachsens Landespolizeipräsident, der Kommandeur des Landeskommandos Sachsen der Bundeswehr sowie Abgeordnete.

Wolffsohn, von 1981 bis 2012 Professor an der Bundeswehrhochschule in München, sagte: „Bis zum 7. Oktober dieses Jahres galt als Hauptquelle des Antisemitismus in Deutschland und Europa der alte und neue Rechtsextremismus. Ja, es gab ihn, es gibt ihn und es wird ihn, fürchte ich, weiter geben.“ In seiner Rede warnte er davor, die anderen Quellen der Judenfeindlichkeit zu übersehen: „In dem man immer nur auf eine Ausprägung des Antisemitismus konzentriert und fokussiert ist, übersieht man zwei andere: Es gibt erstens den Rechtsextremismus, zweitens den Linksextremismus und drittens den Islamismus“, so Wolffsohn. Es sei jedoch „immer nur auf einen Faktor geachtet“ worden, sagte er. Sein Fazit: „Ich bin sehr skeptisch, dass jenseits dieser Erschütterungen in diesen Tagen über den Anlass hinaus das gesamte Spektrum der Gefahren beachtet wird. Ich hoffe, ich irre mich.“

Mit Blick auf die demografischen Veränderungen in Europa und die Flüchtlingspolitik sagte er: „Wer Menschen importiert, importiert Menschen mit ihren Hoffnungen, ihren Lieben, ihrem Hass und ihren Sorgen. Und das bedeutete natürlich erstens, den Import des Islam auch mit seinen antijüdischen Traditionen und zweitens den Nahost-Konflikt.“

Prof. Dr. Michael Wolffsohn

Die jüdische Familie Wolffsohn floh 1939 aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Britisch-Palästina, und kehrte 1954 nach Berlin zurück. Geboren 1947 in Tel Aviv und aufgewachsen in Berlin, studierte Wolffsohn an internationalen Universitäten Geschichte, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre. Von 1981 bis 2012 wirkte er als Professor für Neuere Geschichte und Geschichte der Internationalen Beziehungen an der Bundeswehrhochschule in München.

Landtagspräsident Dr. Rößler: "Jüdisches Leben in Deutschland muss sicher sein"

Zuvor hatte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler in seiner Rede betont: „Unser Thema ‚Jüdisches Leben in Gefahr? Antisemitismus in Deutschland und Europa‘ ist leider von höchster Aktualität. Jüdinnen und Juden leben heute in Teilen von Deutschland und Europa wieder in Angst. Sie verbergen ihr Judentum in der Öffentlichkeit. Das Jüdische Leben in Deutschland muss sicher sein. Hier dürfen wir nicht lockerlassen! Nicht die Sicherheitsbehörden, nicht die Justiz, nicht die Bürgergesellschaft. Schon gar nicht dürfen die politisch Verantwortlichen die Augen vor Fehlentwicklungen verschließen. Haltung und Konsequenz sind hier gefragt, keine Halbherzigkeiten oder Beschwichtigungen.“

Ängste jüdischer Menschen

Von den Ängsten jüdischer Menschen in Sachsen berichtete auf der anschließenden Podiumsdiskussion auch Katrin Ikhilman, Studentin der Universität Leipzig und Mitglied der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig: „Es ist sehr beklemmend und erschütternd, weil auch viele junge jüdische Menschen sich hier immer sehr wohl gefühlt haben. Es gibt den altbekannten Antisemitismus im Alltag, den man kennt, dass man vorsichtig sein sollte, wenn man einen Davidstern trägt, wenn man eine Kippa trägt. Aber ich konnte mir nie vorstellen, dass ich mir Gedanken darum machen muss, was ich zur Universität anziehe, ob man mir irgendwie ansieht, dass ich aktives Mitglied der Jüdischen Gemeinde bin.“

Auf der Podiumsdiskussion, moderiert von Alexandra Gerlach, diskutierten neben Wolffsohn und Ikhilman auch Dr. Thomas Feist, Beauftragter der Staatsregierung für das jüdische Leben, sowie Tomáš Kraus von der Föderation der Jüdischen Gemeinde in Tschechien.