Festakt zum Tag der Deutschen Einheit 2024

Datum 03.10.2024

Festakt am 3. Oktober 2024 im Parlament

Festakt am 3. Oktober 2024 im Parlament

Am zweiten Tag nach der Konstituierung des 8. Sächsischen Landtags kamen im Plenarsaal neben zahlreichen geladenen Gästen auch viele Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Festakts zusammen. Diesmal ging es um den deutschen Nationalfeiertag und das 35. Jubiläum der Friedlichen Revolution. Im Mittelpunkt der Reden stand das Nachdenken über Demokratie. Festredner des Tages war Dr. Matthias Grünberg, der Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen.

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Landtagspräsident Alexander Dierks

Demokratie ist das Wertvollste

In seiner Ansprache erinnerte der neu gewählte Landtagspräsident Alexander Dierks (CDU) an die Friedliche Revolution 1989. „Der Mut vieler Bürger in der DDR, die auf die Straße gegangen sind, ohne zu wissen, ob sie am Abend dieser Tage wieder nach Hause kommen würden, hat die Einheit Deutschlands möglich gemacht.“ Die damaligen Geschehnisse, verbunden mit einer über Jahre betriebenen Aussöhnung zwischen den europäischen Staaten, ermöglichten den Menschen heute, in freier Selbstbestimmung und in einer freien Gesellschaft ihr Leben zu gestalten. Der 3. Oktober sei daher mehr als das Gedenken an ein historisches Ereignis.

„Es geht an diesem Tag auch um die Frage, inwieweit wir immer noch in großer Überzeugung sagen, dass das, was wir vor 34 Jahren als deutsches Volk gemeinsam mit unseren Partnern in Europa erreicht haben, uns als zentraler Wert bis heute wirklich bewusst ist. Ob wir weiterhin bereit sind, in einer Demokratie miteinander zu streiten, oder ob es nicht allzu sehr in Mode gekommen ist, über die Demokratie als solche zu streiten.“ Er sei der festen Überzeugung, dass eine Demokratie den politischen Streit brauche, so Dierks. Aber ein demokratischer Rechtsstaat solle niemals über sich selbst streiten. Die Demokratie sei schließlich das Wertvollste, was wir in diesem Land haben. Und es sei die gemeinsame Aufgabe, auf ihrem Fundament die Probleme der Menschen im Land zu lösen.

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Staatsminister Martin Dulig

Der Osten geht uns alle an

Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig (SPD), der in Stellvertretung des Ministerpräsidenten sprach, widmete sich der neuerlich aufgeflammten Ost-West-Debatte. Für ihn sei klar, dass der Osten alle angehe. „Die Angelegenheiten Ostdeutschlands sind Angelegenheiten ganz Deutschlands! Deutschland als Ganzes wird es nur gutgehen, wenn wir uns als Ganzes begreifen.“ Seit 1990 sei in Ostdeutschland viel erreicht worden, ob bei der Lebensqualität oder den Berufsperspektiven. Doch haderten viele Ostdeutsche mit diesem Erfolg, obwohl es doch auch ihr Erfolg sei. Er, so Dulig, lehne das Niedergangsgerede, mit dem alles im Land schlechtgeredet werde, entschieden ab. Man könne auf das Geschaffene stolz sein. „Wenn wir kein nachhinkender Osten mehr sein wollen, dann müssen wir auch selbstbewusst sein. Wir haben es heute selber in der Hand.“
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Festredner Dr. Matthias Grünberg

Sorge vor Akzeptanzverlust

Diesjähriger Festredner zum Tag der deutschen Einheit war der Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen, Dr. Matthias Grünberg. 1961 in Mannheim geboren, kam er nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann und dem Jura-Studium 1994 nach Sachsen. Seit 2008 ist Dr. Matthias Grünberg Vizepräsident des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes. Am Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen ist er seit 2005 tätig. Seit 2020 ist er Präsident des Verfassungsgerichthofs.
In jüngerer Zeit, so Grünbergs Feststellung, gebe es immer wieder Diskussionen über angebliche Demokratiedefizite, insbesondere in den ostdeutschen Ländern. Ihn überrasche das, denn in den vergangenen Landtagswahlen hätten schließlich jeweils über 70 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Könne man da von einem Demokratiedefizit sprechen? Die Menschen zeigten doch, dass es ihnen nicht egal ist, was politisch geschieht oder wer regiert. Jedoch, so erkannte er an, existiere unbestreitbar das Gefühl einer gewissen Unvollkommenheit des politischen Systems. Das deutsche Staatswesen, so Grünberg erklärend, zeichne sich durch eine außerordentliche Komplexität aus. Damit einher gingen für die Bürger mitunter intransparente Verantwortlichkeiten, ihr empfundener Einfluss auf die Entscheidungen sei oft diffus, bis hin, dass in einigen Fragen in der Tat unklar sei, was geltendes Recht ist. In der Folge, gab sich Grünberg nachdenklich, leide die demokratische Akzeptanz. Die Bürger gewännen den Eindruck, dass eine Lösung durch die von ihnen gewählten Institutionen nicht möglich sei und der Staat sich in seinen eigenen Vorschriften hilflos verstrickt habe. Sicherlich bedingten komplexe Lebensverhältnisse auch komplexe Regelungen. Nur wenn dies zum Empfinden führe, dass trotz demokratischer Wahl kaum politische Entscheidungskompetenz bestehe, dann resultierten daraus Distanz und der Wunsch nach einfachen Lösungen.   
         

Mehr mündiger Bürger, weniger Staat

Grundgesetz wie Sächsische Verfassung, so Grünberg, legten indes ein klares Menschenbild zugrunde. Der Mensch als mündiger Bürger, der eigenverantwortlich seine Dinge regelt. Der Staat benötige daher eine Rechtfertigung, um die Rechte seiner Bürger zu mindern. Er verfüge nicht über sie, sondern sei zu ihrem Schutze da. Kurzum: Der Rechtsstaat sei eine Einrichtung für die Bürger. Im Mittelpunkt beider Verfassungen stünden deshalb auch die Freiheitsrechte der Menschen. Blicke man auf aktuelle Umfragen, dann zeige sich hier auch keine allgemeine Staatsverdrossenheit. Vielmehr bestehe eindeutig ein Interesse der Menschen am Gemeinwesen. Es gebe da keine Gleichgültigkeit. Folgerichtig, so Grünberg, sei es doch sinnvoll, dieses Interesse stärker in die Verwirklichung von Politik einzubringen. Auch wenn er sich mit Lösungsvorschlägen zurückhalten wolle, plädiere er deshalb für eine Reduzierung von staatlichen Vorgaben und für mehr Eigenverantwortlichkeit der Menschen – ganz im Geiste der Verfassung.

Der Festakt wurde musikalisch vom Männer-Oktett des Chorensembles Sonus Aeternus aus Dresden umrahmt. Die Musiker sind Absolventen des Dresdner Kreuzchores und mehrfache Preisträger des Bundeswettbewerbs Jugend musiziert.

Die Reden der Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit sind als Videomitschnitte auf dem Youtube-Kanal des Sächsischen Landtags abrufbar.

Zudem ist eine Dokumentation zur Feierstunde mit allen Reden erschienen, die kostenfrei beim Parlament bestellt werden kann.

Autor: Dr. Thomas Schubert