03.10.2020 bis 03.10.2020
Zum 30. Mal jährten sich am 3. Oktober 2020 der Tag der deutschen Wiedervereinigung sowie die Wiedergründung des Freistaates Sachsen. Als früherer Bürgerrechtler und unmittelbarer Gestalter der damaligen Ereignisse hielt in diesem Jahr der Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz die Festrede. Unter Einhaltung der aktuellen Hygiene-Bestimmungen nahmen 160 Gäste teil.
Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler betonte zu Beginn, dass sich die Menschen in der DDR 1989 selbst aus der Diktatur befreit hätten. In Sachsen seien die Akteure der Friedlichen Revolution maßgeblich daran beteiligt gewesen, die Landesgründung mitzubestimmen. Sie überließen die Neugestaltung nicht jenen, die zuvor politisch wie moralisch gescheitert seien. Heute, 30 Jahre später, erfülle die geschaffene parlamentarische Demokratie die an sie gestellten Ansprüche. Ihre Institutionen und Verfahren dienten den Bürgern und der Freiheit und ermöglichten damit Wohlstand. Es zeige sich, dass die Demokratie auch in Problemlagen handlungsfähig sei, wie man gegenwärtig erlebe. Daher gebe es Vieles, worauf die Menschen in Deutschland im 30. Jahr der Einheit stolz sein könnten.
Der Landtagspräsident begründete in seiner Ansprache zudem die Einladung von Arnold Vaatz. Mit ihm käme ein Vorkämpfer der Friedlichen Revolution und ein wichtiger politischer Gestalter der Wiedergründung Sachsens zu Wort. Dies sei richtig, denn nur die authentische Erinnerung helfe, dass die Wirkmacht der Ereignisse von 1989 und 1990 nicht verblasse. Er bedauerte in diesem Zusammenhang, dass drei Fraktionen des Landtags der Feierstunde nicht beiwohnten.
Ministerpräsident Michael Kretschmer nannte den 3. Oktober 1990 den glücklichsten Tag in der deutschen Geschichte. An die jüngere Vergangenheit hätten die Menschen heute ganz unterschiedliche Erinnerungen. Daher seien Veranstaltungen wie der heutige Festakt notwendig, um Dinge so aussprechen, wie man sie erlebt habe. Es müsse immer wieder deutlich gemacht werden, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. Auch habe der Westen den Osten 1990 nicht einfach übernommen, sondern die Bürger hätten den Betritt zum Grundgesetz von sich aus gewollt. Aus diesem Grund, so Kretschmer, seien die Menschen in Ostdeutschland heute die großen Gewinner der deutschen Einheit. Man stehe fest zu Freiheit, Demokratie und sozialer Marktwirtschaft. Die Einladung von Festredner Arnold Vaatz befürwortete der Ministerpräsident ebenfalls. Man müsse weiterhin eine Kultur des gegenseitigen Zuhörens pflegen und dürfe sich nicht wegdrehen, wenn einem die Meinung des Anderen nicht passe.
Der studierte Mathematiker und Theologe Arnold Vaatz wurde in der DDR wegen seines Engagements in der christlichen Jugendarbeit politisch verfolgt. Ein halbes Jahr verbrachte er in politischer Haft. Im Oktober 1989 trat er dem Neuen Forum bei und gehörte wenig später der Dresdner Gruppe der 20 an. Anfang 1990 ging Arnold Vaatz in die CDU, um politischen Einfluss auf den Umbruch zu nehmen. Er leitete 1990 den Koordinierungsausschuss zur Gründung des Landes Sachsen und wirkte anschließend als sächsischer Staatsminister. 1998 zog er in den Bundestag ein, dem er bis heute angehört.
Arnold Vaatz rief den Zuhörern zunächst ins Gedächtnis, dass sich nichts in der europäischen Geschichte mit der Friedlichen Revolution messen könne. Sie wäre ein Gemeinschaftswerk der Länder Mitteleuropas. Frühere Aufstände hätte die Sowjetunion immer wieder gewaltsam niedergeschlagen. Erst mit Michail Gorbatschow und seinen Reformplänen wehte schließlich ein "Wind der Veränderung".
Dennoch sei die Deutsche Einheit keine zwingende Folge der Herbstrevolution von 1989 gewesen. Erst der Besuch von Helmut Kohl in Dresden habe dem Wunsch der DDR-Bürger nach der Wiedervereinigung Deutschlands Nachdruck verliehen. Zu einer zwingenden Voraussetzung für die deutsche Einheit habe sich letztlich entwickelt, die von der DDR abgeschafften Ländern wiederzugründen. Vaatz wurde damals beauftragt, einen Verfassungstext zu entwerfen. Außerdem habe er den Vorsitz des sogenannten Koordinierungsausschusses übernommen, der die Neubildung des Landes Sachsen vorbereitete. Eine demokratische Legitimation sei dem Gremium durch das Sächsische Forum erwachsen.
Nach den Landtagswahlen 1990 setzte, so Vaatz, eine "elektrisierende Zeit des Neuaufbaus" ein. Weit über das Vorstellbare hinaus sei der Freistaat zu einem prosperierenden und wohlhabenden Land aufgestiegen. Dieses Werk müsse auch zukünftig fortgesetzt werden. Über Themen wie Kernenergie oder Asylpolitik müsse gestritten werden können, ohne dass dabei jemand an den Pranger gestellt werde. Das neue Kapitel der Freiheit, der Rechtstaatlichkeit und Solidarität dürfe nie wieder zugeschlagen werden, nicht durch öffentlichen Konformitätsdruck, nicht durch Diskriminierungen.