Besuch einer Parlamentsdelegation aus Niederösterreich

Datum 23.05.2022 bis 25.05.2022

Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler begrüßt Karl Wilfing, Präsident des Landtags von Niederösterreich

Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler begrüßt seinen Amtskollegen aus Niederösterreich, Mag. Karl Wilfing, im Parlament in Dresden.

Vom 23. bis 25. Mai 2022 besuchte eine Delegation des Landtags von Niederösterreich unter Leitung ihres Landtagspräsidenten Mag. Karl Wilfing den Freistaat Sachsen und den Sächsischen Landtag. Die Landesparlamente verbindet seit 30 Jahren eine Partnerschaft, die vom fortdauernden Erfahrungsaustausch geprägt ist. Sachsens Parlamentspräsident Dr. Matthias Rößler sowie mehrere Landtagsabgeordnete begleiteten die Gäste. Zwei hochkarätig besetzte Gespräche zu den Themen "Katastrophenschutz" und "Tourismus" sowie eine Festsitzung zum 30jährigen Bestehen der Kooperation standen im Mittelpunkt des Besuchs.

30 Jahre Partnerschaft der Landtage von Sachsen und Niederösterreich: Austausch zu Katastrophenschutz und Tourismus

Detailansicht öffnen: Landtagspräsident Dr. Rößler empfing die Parlamentsdelegation im Plenarsaal.
Stippvisite im Plenarsaal: Hausherr Dr. Matthias Rößler zeigt den Gästen aus Niederösterreich den Sitzungssaal des Plenums im Parlament.
Detailansicht öffnen: Gruppenbild nach der Festsitzung auf der Terrasse von Schloss Eckberg
Gruppenbild nach der Festsitzung anlässlich "30 Jahre Partnerschaft zwischen dem Landtag Niederösterreich und dem Sächsischen Landtag" auf Schloss Eckberg.

Seit 30 Jahren tauschen sich die Landtage von Niederösterreich und Sachsen zu aktuellen Themen aus. 1992 vom damaligen Landtagspräsidenten Erich Iltgen und seinem Amtskollegen Franz Romeder ins Leben gerufen, intensivierte Parlamentspräsident Dr. Matthias Rößler die Partnerschaft ab 2012 nach einer zwischenzeitlichen längeren Pause wieder. Wechselseitige Besuche im Zweijahresrhythmus und zahleiche persönliche Kontakte auf politischer wie gesellschaftlicher Ebene prägen die Beziehung.

„Wir können voneinander lernen“

Und so freute sich der Präsident des Sächsischen Landtags sichtlich, die Delegation in Dresden zu begrüßen und ihr „sein“ Haus und den Plenarsaal zeigen zu können. Am Abend des ersten Besuchstages trafen sich Vertreter beider Landesparlamente zu einer Festsitzung anlässlich „30 Jahre Partnerschaft zwischen dem Landtag Niederösterreich und dem Sächsischen Landtag“ auf Schloss Eckberg – protokollarischer Höhepunkt des Besuchsprogramms.

„Beide Bundesländer sind ähnlich groß, Sachsen hat jedoch mehr als doppelt so viele Einwohner wie Niederösterreich“, stellt Rößler den Bezug zwischen den beiden Regionen her. „Insofern stehen wir in vielen Bereichen vor ähnlichen Herausforderungen und können voneinander lernen“, ergänzt sein Amtskollege aus Niederösterreich Mag. Karl Wilfing. So zum Beispiel beim Katastrophenschutz, wo sich die Partnerschaft in der Vergangenheit bereits bezahlt gemacht habe.

Katastrophenschutz: "Wir müssen mehr Menschen fürs Ehrenamt gewinnen"

Detailansicht öffnen: Gespräch im Ständehaus in großer Runde zum Katastrophenschutz
Im Großen Saal des Ständehauses fand ein Spitzengespräch zum Katastrophenschutz statt.
Detailansicht öffnen: Abgeordnete beider Landtage tauschten sich hier mit Thomas Rechentin, Amtschef im Sächsischen Staatsministerium des Innern, sowie den Landesspitzen der hiesigen Rettungsdienste DRK, Johanniter-Unfall-Hilfe, Landesfeuerwehrverband und THW aus.
Abgeordnete beider Landtage tauschten sich hier mit Thomas Rechentin, Amtschef im Sächsischen Staatsministerium des Innern, sowie den Landesspitzen der hiesigen Rettungsdienste DRK, Johanniter-Unfall-Hilfe, Landesfeuerwehrverband und THW aus.

„Die Zahl der Naturkatastrophen nimmt zu: der Waldbrand des Jahrhunderts in Niederösterreich, die großen Flutkatastrophen an der Elbe wie an der Donau. Wir müssen unbedingt noch mehr Menschen fürs Ehrenamt gewinnen, vor allem im Katastrophenschutz, bringen“, konstatiert Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler. Dabei müsse man ganz früh ansetzen, idealerweise bereits bei Kindern und Jugendlichen bzw. in der Schule, war sich die Gesprächsrunde im Ständehaus einig.

Abgeordnete beider Landtage tauschten sich hier mit Thomas Rechentin, Amtschef im Sächsischen Staatsministerium des Innern, sowie den Landesspitzen der hiesigen Rettungsdienste DRK, Johanniter-Unfall-Hilfe, Landesfeuerwehrverband und THW aus. Eigentlich fehle hier am Tisch noch die Bundeswehr, die ebenfalls zur „sächsischen Sicherheitsfamilie“ gehöre, fanden die geladenen Gesprächspartner gleich zum Auftakt.

„Das Thema Bevölkerungsschutz ist sehr präsent in unserer politischen Agenda“, eröffnete Rechentin den Austausch und verweist auf die geplante Novellierung des Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz (SächsBRKG), die Notwendigkeit, die technische Ausstattung auf einem modernen Stand zu halten sowie die rund 107 Millionen Euro Landesmittel, die im aktuellen Doppelhaushalt in den Bevölkerungsschutz fließen werden. „Noch wichtiger sind aber die Menschen.“ Hier könne z. B. bei der Unterstützung von Helfern nach Dienstunfällen und vor allem bei der Wertschätzung künftig noch mehr getan werden.

„Wessen Hochwasser ist das denn jetzt?“

Von Seiten der Verbände wurde unisono angemahnt, Zuständigkeiten für die praktische Hilfe vor Ort bereits abseits der Akutsituation zu klären. So sei es bürokratisch und juristisch sehr kompliziert, wenn z. B. mehrere Hilfsdienste aus Effizienzgründen eine gemeinsame Fahrzeughalle nutzen, skizzieren die Gesprächspartner das Dilemma an einer noch eher harmlosen Frage.

Im Ernstfall werden daraus Fragen wie „Wessen Hochwasser ist das denn jetzt?“, in denen Zuständigkeitsdiskussionen wertvolle, im Zweifel lebensrettende Zeit kosten können, brachte es Sachsens DRK-Chef Rüdiger Unger mit Blick auf das Ahrhochwasser in Nordrhein-Westfalen 2021 auf den Punkt.

Was die Rekrutierung von ehrenamtlichen Helfern und Nachwuchs angeht, scheint der Blick nach Niederösterreich lohnenswert, gibt es dort im Vergleich zu Sachsen doch mehr als doppelt so viele Freiwillige bei Feuerwehr und Rettungswesen. Bernhard Heinreichsberger, Abgeordneter des Landtags Niederösterreich und Vizepräsident des dortigen Zivilschutzverbandes, verwies u. a. auf die „SAFETY-Tour“, eine landesweite Sicherheitsaktion an allen Schulen des Landes, die Kinder spielerisch an den Zivilschutz heranführe und sehr erfolgreich laufe. Identifiziert worden sei das Thema hierzulande ebenfalls, hakt Landesfeuerwehrchef Andreas Rümpel ein und berichtet, dass z. B. die Brandschutzerziehung demnächst im Rahmen der Ganztagesangebote an sächsischen Schulen offeriert werde.

Man wolle auch bei künftigen Einsatzszenarien eng kooperieren.“ Wir haben die Sachsen bereits in die Feuerwehr- und Sicherheitsschule Tulln eingeladen, um beim Thema Blackout zusammenzuarbeiten“, so Heinreichsberger. Dieses Thema sei, ebenso wie Cyberangriffe und Notbevorratung, im Bewusstsein der Bevölkerung nicht so präsent.

„Wir können Krisen nicht ohne die Unterstützung der Zivilbevölkerung und nicht ohne Nachwuchs bewältigen“, waren sich die Gesprächspartner einig. Vielleicht schaffe man es ja, eine gemeinsame Nachwuchskampagne aller Hilfs- und Rettungsdienste auf den Weg zu bringen.

Tourismus: Nachhaltigkeit und Regionalität

Detailansicht öffnen: Abgeordnete beider Parlamente tauschten sich mit Manfred Böhme, Landestourismusverband Sachsen, Landrat Michael Geisler sowie Thomas Kunack, Bürgermeister von Bad Schandau, über Ansatzpunkte und Ideen aus.
Abgeordnete beider Parlamente tauschten sich mit Manfred Böhme, Landestourismusverband Sachsen, Landrat Michael Geisler sowie Thomas Kunack, Bürgermeister von Bad Schandau, über Ansatzpunkte und Ideen aus.
Detailansicht öffnen: Hanspeter Mayr von der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz führte die Gäste fachkundig rund um die Bastei.
Hanspeter Mayr von der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz führte die Gäste fachkundig rund um die Bastei.

Tags darauf ging es in wunderschöner Umgebung im Nationalpark Sächsische Schweiz um das Thema „Perspektiven für den Tourismus“. Abgeordnete beider Parlamente tauschten sich mit Manfred Böhme, Landestourismusverband Sachsen, Landrat Michael Geisler sowie Thomas Kunack, Bürgermeister von Bad Schandau, über Ansatzpunkte und Ideen aus. 

Gleichermaßen stehen die Regionen vor der Herausforderung, den Ganzjahrestourismus zu stärken, Fach- und Arbeitskräfte zu halten bzw. zu gewinnen sowie die Zahl der Übernachtungen wieder zu erhöhen.

Mit Ideen wie dem seit einigen Jahren etablierten „Winterdorf in Schmilka“ oder der derzeit angestrebten Prädikatisierung von Bad Schandau als Kneipp-Ort versuche man, touristische Nischen zu besetzen, so Thomas Kunack. Und auch mit Blick auf den Personalmangel tüftelt der umtriebige Bürgermeister an einer Idee. So sollen z. B. Yogakurse im künftigen Kneipp-Ort digital angeboten werden.

Es gehe vor allem um Nachhaltigkeit, Regionalität und Digitalisierung, benennen die Fachleute die aktuellen Trends im Tourismus. „Wir bauen derzeit den Radtourismus aus“, berichtet Mag. Karl Wilfing. „Das bedingt aber auch der notwendigen Infrastruktur wie guten Radservice (z. B. Reparaturen) und genügend radfreundliche Unterkünfte. Ein Weg, den auch Sachsen geht, hier allerdings mit dem Schwerpunkt auf Mountainbiking.

Kulturhauptstadt als Chance für den Tourismus

Einen Schub für den Tourismus könne auch eine erfolgreiche Bewerbung als Kulturhauptstadt geben, erzählten die Sachsen und verwiesen stolz auf Chemnitz 2025. Diese Idee hatten die Niederösterreicher auch schon, St. Pölten wollte Kulturhauptstadt 2024 werden, geworden ist es am Schluss Bad Ischl im Salzkammergut. Man habe sich aber einen Trost ausgedacht: Sie machen St. Pölten zur niederösterreichischen Kulturhauptstadt 2024 mit einer Landesausstellung und zahlreichen Veranstaltungen. Künftig soll es dann alle zwei Jahre eine Landesausstellung geben. Das wiederum kennen auch die Sachsen, wo 2020 die jüngste Landesausstellung zu 500 Jahre Industriekultur stattgefunden hat.

Im Laufe ihres dreitägigen Aufenthalts in Sachsen besuchen die Niederösterreicher außerdem die Porzellanmanufaktur in Meißen und Schloss Wackerbarth. „Es war ein rundum gelungener und inhaltlich gewinnbringender Austausch“ resümiert Rößler.

Autorin: Katja Ciesluk