27.10.2022 bis 28.10.2022
Wie haben Menschen ihre Jugend in der DDR verbracht? Was erzählen uns historische Orte in unserer Stadt? Welche Auswirkungen hatte der Nationalsozialismus in unserem Ort und was können wir tun, damit die Geschichte nicht in Vergessenheit gerät? Das sind nur einige der Fragen aus den zahlreichen Geschichtsprojekten, mit denen sich Jugendliche über acht Monate befasst haben. Am 27. und 28. Oktober 2022 fanden zum 18. Mal als Höhepunkt des Programms die jährlich ausgerichteten Sächsischen Jugendgeschichtstage im Sächsischen Landtag statt.
Am ersten Tag der Veranstaltung war der Sächsische Landtag Ausgangspunkt für eine Reihe von Workshops und Exkursionen. Am darauffolgenden Tag fand der Projektemarkt im Parlament statt, auf dem sich alle 19 Jugendgruppen mit ihren Arbeiten vorstellten. Dafür legten sich die Spurensucher ordentlich ins Zeug und durften ihrer Kreativität freien Lauf lassen.
Von der Erforschung des Hauses, in dem Jugendlichen alltäglich ein und aus gehen, über die schrecklichen Schicksale von Juden und Zwangsarbeitern im eigenen Wohnort bis zur Auseinandersetzung mit historischen Orten innerhalb der Stadt reichte die Vielfalt der Geschichtsprojekte. Andrea Dombois, Erste Viezepräsidentin des Sächsischen Landtags, begrüßte die die Jugendlichen im Plenarsaal und schaute sich auf einem Rundgang gemeinsam mit weiteren Abgeordneten die einzelnen Projekte an und zeigte sich beeindruckt von den Arbeitsergebnissen.
Eine Jugendgruppe aus Hoyerswerda erforschte zum Beispiel die Geschichte eines alternativen Jugendclubs in ihrer Stadt. Dafür knüpften sie über verschlungene Wege Kontakte zu Zeitzeugen, führten Interviews und blätterten durch alte Fotoalben und Dokumente. Als Ergebnis wird ein Film entstehen.
Jugendliche der Evangelischen Kinder- und Jugendarbeit Wurzen wollen Geschichte aufarbeiten, Gräben überwinden und die Vergangenheit wieder erlebbar machen, über die viele nicht reden wollen oder nicht mehr können. Gemeinsam arbeiteten sie sich durch hunderte Seiten Briefverkehr, studierten alte Friedhofspläne, durchsuchten tagelang Online-Archive und führten Zeitzeugeninterviews. Ihr Ziel war es, so viel wie möglich über das Schicksal von Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern herauszufinden. Das Ergebnis ihrer Recherchen war, dass es mindestens 4000 Zwangsarbeiteren, mehrere Arbeitslager und über 160 Todesopfer in Wurzen und dem Wurzener Land gab. An diese möchten sie erinnern.
Eine weitere Jugendgruppe aus dem Fanprojekt Leipzig beschäftigten sich mit Mädchen und Frauen bei der BSG Chemie Leipzig zu DDR-Zeiten. Wie erlebten Mädchen und Frauen den Leutzscher Fußball? Welche Rolle spielten sie im Verein? Sie, die bisher in den Geschichtsbüchern eher kaum bis gar nicht auftauchten, stehen mit ihren unerzählten Geschichten im Mittelpunkt des Projektes. Vier Aspekte waren der Jugendgruppe dabei besonders wichtig: Sammeln, Bewahren, Präsentieren und Vermitteln von bisher kaum bekannten Geschichten und damit verbundenen Zeugnissen aus der Zeit von 1967 bis zur Gegenwart.
Der Kreativität der Spurensucherinnen und -sucher waren bei der Arbeit an ihren Projekten keine Grenzen gesetzt: Es wurden viele Interviews geführt, Archive und Dokumente unter die Lupen genommen, mit regionalen Vereinen und Museen kooperiert, Exkursionen unternommen und die gemachten Entdeckungen sowie gefundenen Schätze mit der (Film)Kamera dokumentiert. Viele Jugendliche reisten mit großem Gepäck an, um ihre entstandenen Ausstellungen, Broschüren, Modelle oder sogar Filme auf den Jugendgeschichtstagen im Landtag zu präsentieren.
Die Sächsischen Jugendgeschichtstage sind der Höhepunkt des Jugendprogramms „Spurensuche“ der Sächsischen Jugendstiftung. Sie werden in Kooperation mit dem Sächsischen Landtag unter der Schirmherrschaft des Landtagspräsidenten Dr. Matthias Rößler ausgerichtet und als zweitägige Veranstaltung umgesetzt. Mit Spurensuche wird die regionalhistorische Aufarbeitung junger Menschen in Sachsen in Zusammenarbeit mit pädagogischen Fachkräften und regionalen Trägern der Jugendarbeit vor Ort unterstützt.