Rechtsgutachten im Auftrag des Sächsischen Landtags zur Wahl des Ministerpräsidenten

108/2024 Datum 17.12.2024

Der Sächsische Landtag hat heute ein Rechtsgutachten zur Frage der Ausgestaltung der Stimmzettel bei der Wahl des Ministerpräsidenten des Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Michael Brenner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena veröffentlicht. Brenner ist dort Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Das Gutachten hatte Landtagspräsident Alexander Dierks im Interesse eines rechtssicheren Verfahrens nach der Präsidiumssitzung am 11. Dezember 2024 beauftragt, es wurde heute durch Prof. Dr. Michael Brenner vorgelegt und auch den Fraktionen des Sächsischen Landtags zugeleitet.   

Das Gutachten stützt die Rechtsauffassung des Juristischen Dienstes des Sächsischen Landtags, wonach ein Wahlverfahren verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn bei mehreren Kandidatinnen und Kandidaten in einem Wahlgang die Stimmabgabe nur für einen der Kandidaten oder eine Enthaltung vorgesehen ist – ohne die Möglichkeit einer Nein-Stimme.

„Als Fazit ist festzuhalten, dass der Einräumung einer ‚Nein-Option‘ in einem weiteren Wahlgang nach Art. 60 Abs. 2 SächsVerf zwingende verfassungsrechtliche Gründe entgegenstehen“, so das Gutachten.

Zur Begründung heißt es im Wesentlichen:

  • Die in der Geschäftsordnung des Landtags genannten Abstimmungsvarianten („Ja“, „Nein“, „Enthaltung“) können nicht auf Wahlen übertragen werden. Eine solche Übertragung wäre mit den eine Wahl kennzeichnenden Besonderheiten nicht vereinbar. In jedem Fall gehen die verfassungsrechtlichen Vorgaben den niederrangigen Bestimmungen der Geschäftsordnung vor.
  • Artikel 60 der Sächsischen Verfassung zur Regierungsbildung ist „von dem Anliegen getragen, einen Kandidaten in das Amt des Ministerpräsidenten zu bringen. Eine verfahrenstechnische Ausgestaltung des Wahlvorgangs und der Stimmzettel, die diesem Anliegen zuwiderliefe, wäre mit der Intention des Art. 60 Abs. 2 SächsVerf nicht vereinbar. Die Norm will eine Regierungsbildung ermöglichen, nicht hingegen verhindern. Dieser Intention liefe die Aufnahme einer ‚Nein-Option‘ gerade entgegen.“
  • „Die Verfassungserwartung des Art. 60 Abs. 2 SächsVerf zielt darauf, einen Minderheitsministerpräsidenten zu wählen. Diese Verfassungserwartung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass auf dem Stimmzettel eine ‚Nein-Option‘ vorgesehen und damit ein Blockadepotential ermöglicht wird.“

Link zum Rechtsgutachten von Prof. Dr. Michael Brenner

Mehr zur Person: Prof. Dr. Michael Brenner  

Der Sächsische Landtag hatte am 16. Dezember 2024 über die Rechtsauffassung von Landtagspräsident Alexander Dierks – gestützt auf den Juristischen Dienst des Landtags – zum Abstimmungsverfahren zur Wahl des Ministerpräsidenten informiert: Pressemitteilung