Presseerklärung der Parlamentarischen Kontrollkommission

38/2020 Datum 06.07.2020

Die fünfköpfige Parlamentarische Kontrollkommission des Sächsischen Landtags (PKK) hat sich in ihrer Sitzung am 6. Juli 2020 umfassend mit den aktuellen Vorgängen im Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen (LfV) beschäftigt. Anlass waren der Wechsel an der Spitze des LfV, die damit in Zusammenhang stehende öffentliche Berichterstattung sowie die im Innenausschuss des Sächsischen Landtags gegebenen Informationen der Staatsregierung.

Der Staatsminister des Innern und der Präsident des LfV gaben einen umfassenden Sachstandsbericht und beantworteten den Mitgliedern der PKK zahlreiche Fragen. Darüber hinaus nahmen die Mitglieder Einsicht in den umfangreichen Schriftverkehr zwischen dem LfV und der Fachaufsicht im SMI.

 

Im Ergebnis einer ersten Prüfung des Vorgangs stellen die Mitglieder der PKK einstimmig fest:

 

1. Verspätete Information der PKK

Die Mitglieder der PKK kritisieren den Umstand, dass das Gremium über die fortdauernde und gravierende divergierende Rechtsauffassung zwischen dem LfV und der Fachaufsicht im SMI aus der öffentlichen Berichterstattung erfahren hat und von der Staatsregierung nicht informiert wurde. Es gab eine Verständigung mit dem SMI und dem LfV darüber, dass künftig die PKK über derartige Vorgänge von besonderer Bedeutung unverzüglich unterrichtet wird, auch wenn es sich um einen laufenden, nicht abgeschlossenen Vorgang handelt.

 

2. Rechtskonforme Erhebung von Daten

In Auswertung der vorliegenden Schriftsätze lässt sich feststellen, dass durch das LfV lediglich öffentlich zugängliches Datenmaterial erhoben und ausgewertet wurde. Darüber hinaus liegen anhand der vorliegenden Schriftsätze keine Erkenntnisse vor, dass Daten zu einzelnen Abgeordneten des Landtags, des Bundestags oder des Europäischen Parlaments mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden.

 

3. Rechtswidrige Speicherung von Daten von Abgeordneten

Der verfassungsrechtliche Schutz des Mandats von frei gewählten Abgeordneten ist ein hohes Gut und muss geschützt werden. Es ist künftig rechtssicher zu gewährleisten, dass Daten von Abgeordneten nur nach den besonderen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts gespeichert werden. Die Mitglieder der PKK stellen fest, dass die Tätigkeit des LfV im fraglichen Fall den fachlichen Standards der Behörden im Verfassungsschutzverbund nicht entsprochen hat. Die Erhebung und vorübergehende Speicherung von Daten über Abgeordnete ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, unterliegt jedoch hohen Anforderungen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit, muss über jeden Zweifel erhaben sein und erfordert daher sorgfältigste Begründungstätigkeit. Insbesondere hinsichtlich der Belegführung ist das LfV diesen Anforderungen bisher nicht gerecht geworden. Daraus folgt die Rechtswidrigkeit der fortdauernden Datenspeicherung. Dieser rechtswidrige Zustand ist unverzüglich zu beseitigen – entweder durch Erbringung fachlich qualifizierter Belege oder andernfalls durch die Löschung der Daten. Vor diesem Hintergrund begrüßt die PKK die Einsetzung einer Arbeitsgruppe durch das SMI.

 

4. Einheitliches Handeln mit BfV und Verfassungsschutzverbund

Die PKK begrüßt, dass der neue LfV-Präsident die vom LfV bisher nicht in Anwendung gebrachte Handreichung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zum Umgang mit Abgeordnetendaten für das LfV mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt hat. Die Mitglieder der PKK stellen fest, dass es weiterer Einsichtnahmen und Prüfungen bedarf, um die in Rede stehenden Vorgänge abschließend zu bewerten. Ziel der Kontrolltätigkeit ist es, sicherzustellen, dass die Tätigkeit des LfV den fachlichen Standards der Behörden im Verfassungsschutzverbund entspricht.

 

5. Fortlaufende Prüfung durch die PKK

Aufgrund des Umfangs der erforderlichen Prüfungen erhalten die Mitglieder der PKK auch während der parlamentarischen Sommerpause die Möglichkeit zur Einsichtnahme in Akten.

 

6. Abschließende Bewertung durch die PKK im September 2020

Die PKK strebt eine abschließende Bewertung der aktuellen Vorgänge nach umfangreicher Akteneinsicht und weiteren Gesprächen im Monat September an. Im Zuge dieser Bewertung wird auch zu diskutieren sein, ob und inwieweit neben zu treffenden internen Festlegungen und ggf. veränderter Ressourcenorganisation auch Präzisierungs- bzw. Anpassungsbedarfe am Sächsischen Verfassungsschutzgesetz bestehen, welchen der Gesetzgeber nachkommen sollte.

 

 

Hintergrund:

 

Aufgabe der Parlamentarischen Kontrollkommission ist es, die Aktivitäten der Staatsregierung hinsichtlich der Aufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz und die Tätigkeit dieses Amtes zu kontrollieren. Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus fünf Landtagsmitgliedern. Zwei Mitglieder müssen der parlamentarischen Opposition angehören.

 

Übersicht der Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission: https://www.landtag.sachsen.de/de/landtag/gremien/gremium/235