Landtagspräsident: „Wir sind ein Volk! – Stabilität und Zusammenhalt der Gesellschaft nicht aufs Spiel setzen“

85/2019 Datum 03.10.2019

- Rede des Landtagspräsidenten zum Tag der Deutschen Einheit: „Wenn aus Unterschied Polarisierung und aus Streit Zerissenheit wird, dann ist das der falsche Weg“

Der Sächsische Landtag begeht heute den Tag der Deutschen Einheit mit einer offiziellen Feierstunde im Plenarsaal. In seiner Rede erinnerte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler mit Blick auf die zunehmende Polarisierung in der heutigen Gesellschaft an den „zentralen Ruf der friedlichen Revolution von 1989: Wir sind ein Volk!“

 

„Wenn ich aus dem Herbst 1989 eines gelernt habe, dann wie wichtig das ,Wir‘ ist, das ein gemeinsames Ziel sucht und auf diese Weise die Spaltung überwindet“, betonte Rößler und fügte hinzu: „Die Gesellschaft muss klar diskutieren, wie es weitergehen soll: mit Europa, beim Klimaschutz oder in Fragen der Migration. Die Stärke einer freien Gesellschaft liegt in ihren vielen unterschiedlichen Sichtweisen sowie in der Fähigkeit, diese – wenn auch oft mühsam – in Kompromissen zu binden.

 

Wenn aus Unterschied Polarisierung, aus Streit Zerrissenheit wird, und der Konflikt den Kompromiss dominiert, dann ist das der falsche Weg. Es ist zweifelsohne nicht einfach, die gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse auszuhalten. Sie sind emotional, sie sind aufbrausend, manchmal sind sie von Panik getrieben.“

 

Bei allem politischen Streit mahnte der Parlamentspräsident daher zu Besonnenheit: „Lassen Sie uns die Stabilität und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nicht erneut aufs Spiel setzen. Bewahren wir die unverbrüchlichen demokratischen Spielregeln um jeden Preis.“

 

Auch 30 Jahre danach fühle er noch immer große Dankbarkeit, sagte Rößler: „Es hätte alles auch anders kommen können. Nicht wenige, so scheint mir, haben das heute vergessen. Darum will ich noch einmal deutlich sagen: Es waren ‚Wunderjahre‘ hin zum Besseren, zu Freiheit, Einheit, Demokratie.“

 

Rößler schilderte in seiner Rede auch persönliche Erinnerungen an die friedliche Revolution: „Ich erinnere mich noch genau an diese Tage Anfang Oktober 1989. Die Züge mit den Ausreisenden, die von Prag aus quer durch die südliche DDR in die Bundesrepublik fuhren, entfachten Aufruhr. Am Dresdner Hauptbahnhof kam es zu Zusammenstößen zwischen denen, die eine Möglichkeit des Fortkommens suchten, und der Polizei. Die vornehmlich jungen Menschen, wissend, dass sich nichts ändern würde, wollten nur noch raus.

 

Meine gesamte Familie ging von Anfang Oktober 1989 an jedem Montag auf die Straße. Nun hieß es: ‚Wir bleiben hier!‘ In den kommenden Wochen riefen wir wie Hunderttausende andere nach Freiheit, Demokratie und Wohlstand. Wir alle holten uns damals in der friedlichen Revolution unser Land und unsere Freiheit zurück.“

 

Dr. Matthias Rößler war seit Dezember 1989 Mitglied des Demokratischen Aufbruchs, später Vertreter am „Runden Tisch“ des Bezirks Dresden und ist seit 1990 Mitglied des Sächsischen Landtags. Seit 2009 ist Rößler Parlamentspräsident.

 

Die vollständige Rede des Landtagspräsidenten im Internet: https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/Rede_3_Oktober_2019.pdf