Zweikammerparlament

Zweikammerparlament. Konstitutionelle Verfassung und Wahlrecht (1833-1848)

Das Königreich Sachsen lag im 19. Jahrhundert zwischen Österreich-Ungarn und Preußen. Es konnte Reformen nur durchführen, wenn es die Interessen der beiden konkurrierenden Großmächte nicht verletzte. Als 1830 in Frankreich und Belgien Revolutionen ausbrachen, entstand für Sachsen eine außenpolitisch günstige Konstellation, die frühneuzeitliche Gesellschaftsstruktur hinter sich zu lassen. Das Land gab sich eine ähnliche Verfassung, wie sie Bayern, Württemberg und Baden schon hatte. Die frühneuzeitliche Ständeversammlung Sachsens wurde durch ein Zweikammerparlament ersetzt, dessen zentrale Rechte in der Verfassung festgeschrieben waren. Daher wandelte sich der Charakter des sächsischen Landtags zwischen 1830/31 und 1833/34 in kurzer Zeit, wie es bis dahin noch nicht geschehen war.

Diese Neugestaltung des Parlaments entsprach auch dem Wunsch vieler Mitglieder der alten Ständeversammlung. Denn die adligen Rittergutsbesitzer und Stadträte, die als lokale Obrigkeiten herkömmlich an Landtagen teilgenommen hatten, wollten ihre Ansichten öffentlich sichtbar machen. Sie waren nämlich nicht damit einverstanden, dass der Staatsapparat immer mehr in ihren tradierten Herrschaftsbereich hineinregierte. Im neuen konstitutionellen Landtag herrschte trotz sonst geltender Zensur für die Parlamentarier Redefreiheit. Jede Zeitung durfte ungehindert drucken, was in einer der beiden Kammern gesagt wurde

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BILD: Sachsen zwischen Habsburg und Preußen

BILDUNTERSCHRIFT: Das Königreich Sachsen lag im 19. Jahrhundert zwischen den Großmächten Österreich-Ungarn und Preußen (© IEG / A. Kunz 2002: Mitteleuropa 1839)

Bildquelle: https://www.ieg-maps.uni-mainz.de/mapsp/map839ME.htm

BILD: Sächsische Verfassung von 1831 !!! Ein Foto der Vf. Muss noch im Sächs HStA Dresden angefertigt werden. !!!

BILDUNTERSCHRIFT: Die sächsische Verfassung von 1831 legte die Grundstruktur des Zweikammerparlaments fest.

Bildquelle: (Sächs HStA Dresden: #); DOI: 10.25359/ISSN.1614-6352.MAP152.

Literaturhinweise:

Personalkontinuität und neue Legitimation

Zu einem hohen Prozentsatz saßen im ersten Zweikammerparlament Personen, die schon dem Landtag von 1830/31 angehört hatten. Der Preis für die Führungsformationen der Städte und des Adels lag darin, dass sie nun nicht mehr nur die Interessen ihrer Herkunftsgruppen vertreten konnten, sondern das Wohl der Gesamtgesellschaft bedenken mussten. Die Debatten in den beiden Kammern oder deren Ausschussgremien (Deputationen) ließen es nicht mehr zu, Privilegien nur für den Adel oder nur für Stadtbürger zu fordern.

Für die Mitglieder der Ersten Kammer spielte die Rekrutierung durch Wahl eine geringere Rolle.  Sie übten ihr Mandat aus, weil sie als Prinzen des Königshauses oder als Besitzer von Standesherrschaften dazu berechtigt waren, weil sie Besitzer von großen Rittergütern waren und zudem von anderen Rittergutsbesitzern gewählt oder von König ernannt worden waren. Auch die Bürgermeister großer Städte kamen in die Erste Kammer aufgrund ihres Amtes und nicht als gewählte Parlamentarier. Ebenso wenig stützten sich die Mitglieder der Zweiten Kammer allein auf eine Wahl. Sie kamen ausschließlich aus Besitzer- bzw. Eigentümergruppen. Im Unterhaus des Landtags hatten die Rittergutsbesitzer 20 Abgeordnete, die Städte 25, der Bauernstand 25 sowie Handel und Industrie zusammen fünf Abgeordnete. Die Verfassung von 1831 unterschied diese vier gesellschaftlichen Gruppen nach den Kriterien Vermögen und Wohnort. Laut Verfassung vertrat das Parlament „die Gesamtheit der Staatsbürger und Untertanen“. Es waren aber nicht alle Erwachsenen, sondern nur die männlichen Mitglieder der verschieden definierten Vermögensklassen zur Wahl oder zum Abgeordnetenmandat zugelassen.

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LINK: Matzerath, Josef: Einleitung. Sachsens Landtage 1833/34 bis 1866/68. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 6-9 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

LINK: Matzerath, Josef: Der Landtag 1833/34. Sitzordnung und Porträts. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 10-20 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

LINK: Hoffmann, Andreas: „Emma geht als Herr verkleidet mit Treitschken auf die Tribüne“. In: Landtagskurier 5/14, S. 18 f. [### Link auf die Website des SLT ist noch nicht möglich.]

Bild: Erste Kammer

BILDUNTERSCHRIFT: Erste Kammer des konstitutionellen Zweikammerparlaments 1833/1834 (A. Stissberg, Stadtmuseum Dresden)

Bildquelle: Erste Kammer des sächsischen Landtags 1833/34. Stadtmuseum Dresden, A. Stissberg, Klein’s Kunstsammlung Dresden, Sitzungssaal der Sächsischen Landstände Iter Kammer 1833/1834, um 1850, Inv.-Nr. 1978/k 482.

Politische Lagerbildung

In den beiden Kammern bildeten die Parlamentarier keine Fraktionen. Erst seit den 1840er Jahren nahm die Öffentlichkeit ein liberales und ein konservatives Lager wahr. Zwischen diesen beiden Polen war das Juste Milieu verortet. Dieser nicht festgelegten politischen Mitte gehörte die Mehrheit der Parlamentsmitglieder an, die sich von Fall zu Fall entschied. Aber auch Liberale und Konservative pflegten ein eher individualisiertes Mandatsverständnis. Sie hielten sich nicht an Vorgaben weltanschaulichen Gruppen, sondern leisteten sich als Honoratioren ihre eigene Meinung.

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LINK: Matzerath, Josef: „Ich werde erwarten, ob jemand das Wort begehrt.“ Eine Debatte über die Stellung des Kammerpräsidenten im Jahre 1846. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 41-44 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

Das Parlament, die öffentliche Meinung, der König und seine Regierung

Die Kompetenzen des konstitutionellen Zweikammerparlaments in Sachsen waren zwar größer als die der frühneuzeitlichen Ständeversammlung. Sie entsprachen aber nicht dem, was dem heutigen Landtag zusteht. Denn der König berief und beendete die Zusammenkunft der Volksvertretung. Er und nicht das Parlament berief und entließ die Minister. Der Landtag durfte keine Gesetze beantragen. Er hatte aber das Recht, Steuern zu bewilligen und das Staatsbudget zu prüfen. Auf mancherlei Weise standen dem König und seinem Kabinett Möglichkeiten offen, sich gegen das Parlament durchzusetzen. Das gelang aber auch nicht immer. Rückhalt bot den Kammern zumeist nur die Öffentlichkeit.

In den 1830er Jahren trieben Regierung und Landtag in Sachsen Reformen voran. Die ständischen Strukturen der Frühen Neuzeit wie etwa die Feudalherrschaft der Rittergutsbesitzer über die Bauern wurden teilweise aufgehoben. Seit den 1840er Jahren verlor dieser Prozess aber an Schwung. Als am 12. August 1845 in Leipzig das Militär auf Demonstranten schoss und acht Menschen starben, die vom sächsischen Prinzen Johann mehr religiöse Toleranz einforderten, gab der linke Flügel der Liberalen die Hoffnung auf, durch den Landtag könnten ihre politischen Ziele vorangebracht werden. Liberale Erwartungen an den konstitutionellen Staat wurden zunehmend enttäuscht. Auf konservativer Seite führten die Leipziger Augustereignisse jedoch dazu, dass erstmals eine Meinungspresse entstand und nicht mehr jede politische Öffentlichkeit als oppositionell abgelehnt wurde.

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LINK: Matzerath, Josef: „… das Vertrauen zwischen Regierung und Ständen“. Bernhard v. Lindenau und seine Konflikte mit dem sächsischen Landtag. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 36-40 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

BILD: Zeitgenössische Lithografie der Vorgänge auf dem Leipziger Roßplatz vor dem Hotel de Prusse am 12. August 1845 (Leipziger Gemetzel, oben) und des Trauerzuges der Getöteten zur Johanniskirche.

BILDUNTERSCHRIFT: Sächsisches Militär erschloss 12. August 1845 in Leipzig acht Demonstranten. Ein Teil der Liberalen glaubte seither nicht mehr, dass der Landtag das Potential habe, Sachsen zu reformieren. (Unbekannter Künstler: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig)

Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inv.Nr. 2/39.

Landtage zur Zeit der Revolution und Reaktion (1848-1866)

Die Revolution von 1848 fand nicht nur auf der Straße, sondern auf unterschiedlichen Handlungsebenen statt. Alle waren für den sächsischen Landtag relevant. Als nämlich der König am 13. März ein neues Kabinett berief, wurden liberale Parlamentarier Minister. Das Ende der politischen Zensur, das dieses frisch ernannte Märzministerium durchsetzte, ließ in Sachsen eine regionale Zeitungslandschaft aufblühen. Sobald die neu gewährte Versammlungsfreiheit es gestattete, initiierten politische Vereine, die Vorläufer der heutigen Parteien, außerhalb des Parlaments eine öffentliche Debatte. Das verlieh dem Wandel Schubkraft. Andererseits bremsten die „alten Mächte“ in der staatlichen Zivilverwaltung und im Militär den Elan des Landtags, ein parlamentarisches Regierungssystem einzuführen. Daher setzte trotz Revolution weiterhin der Monarch das Kabinett ein. Es gelang nicht, die Minister davon abhängig zu machen, dass sie eine Mehrheit unter den Abgeordneten fanden.

Die parlamentarische Handlungsebene existierte 1848 zunächst unverändert weiter. Vom 21. Mai bis zum 15. November tagte ein sächsischer Landtag, der nach dem bisherigen Wahlrecht zusammengesetzt war. Erst als es im Herbst an verschiedenen Orten zu Tumulten und in Chemnitz zu Barrikadenkämpfen kam, konnte das liberale Ministerium in den beiden Parlamentskammern ein neues Wahlrecht durchbringen. Es blieb bei einem Ober- und einem Unterhaus. Allerdings wurden die Abgeordneten nicht mehr von Vermögensgruppen legitimiert. Gewählt wurde nun nach Wahlkreisen und nur von erwachsenen Männern, die als selbständig galten.

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LINK: Matzerath, Josef/Jäschke, Uwe Ulrich: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Die Mitglieder der sächsischen Landtage 1833 bis 1952. III. Teil: Wahlbezirke und Raumbezüge der sächsischen Landtage, Dresden 2011, S. 57-137

LINK: Matzerath, Josef: Die sächsischen Landtage der Jahre 1848 bis 1850. Handlungsebenen der Revolution, Wahlmodus – Parteien – Berufsprofil der Parlamentarier. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 49-54 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

LINK: Matzerath, Josef: Regierungskunst für Revolutionsparlamentarier. Der Landtag 1849 aus der Sicht des Ministerialrats Dr. Carl von Weber. In: Landtagskurier 9/16, S. 22 f. https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/SLT_ZS_LK_9_16.pdf

LINK: Matzerath, Josef: Von einem „politischen Selbstmord“. Die Erste Kammer des sächsischen Landtags akzeptiert die Wahlrechtsreform des Jahres 1848. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 72-78 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

BILD: Wahlgesetz 1848  

BILDUNTERSCHRIFT: Wahlgesetz vom 15. November 1848 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen)

Bildquelle: Wahlgesetz 1848. In: GVBl Sachs, 1848, S. 227, Nr. 84.

Sachsens König gegen Parlamentarismus

Im Dezember 1848 politisierte die Landtagswahl Sachsen wie nie zuvor. Die linksliberalen Demokraten traten mit einem Wahlprogramm an, das forderte, die Feudallasten kostenlos aufzuheben, den Adel abzuschaffen und Verwaltungs- und Justizbeamte zu wählen. Als der neue Landtag Mitte Januar eröffnet wurde, hatten demokratische Abgeordnete in beiden Kammern eine Mehrheit. König Friedrich August II. weigerte sich aber, ein Ministerium aus Demokraten zu berufen. Als die Märzminister zurücktraten, weil sie keine Mehrheit im Landtag mehr hatten, berief der Monarch ein Beamtenkabinett. Diese Regierung suchte nicht die Kooperation mit dem Parlament, sondern wartete auf eine Gelegenheit, den Landtag zu beenden. Die Abgeordneten bewilligten dem Beamtenkabinett nur auf kurze Zeit das Recht, Steuern zu erheben. Am Tag, bevor die Steuerbewilligung endete, am 30. April 1849, entließ der König den Landtag. Seine Minister nutzten dann einen Ausnahmeparagraphen der Verfassung, um ohne Parlamentsbeschluss für ein weiteres Jahr Steuern zu erheben.

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LINK: Matzerath, Josef: „Entweder ihr geht, oder ihr heißt uns gehen“. Regierungsrücktritt oder Landtagsauflösung – Der Konflikt um den Parlamentarismus im Frühjahr 1849. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 79-82 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

BILD: Überschrift: Die Zeitungs-Politiker | Unterschrift: "Der Radicale / Republikaner."; "Der Liberale / Constitutioneller"; "Der Conservative / Absolut Monarchist."

BILDUNTERSCHRIFT: Vertreter des politischen Spektrums schlagen mit der Dresdner Zeitung, der Neuen Leipziger Zeitung, der Freimüthigen Sachsenzeitung etc. aufeinander ein (Karikatur: Gustav Adolf Poenicke, 1849)

Bildquelle: Bilddatei-Nr. dbsmboeblp2705 © DNB, Deutsches Buch- und Schriftmuseum Leipzig - Rechte vorbehalten; color | Bildlink: https://www.bildindex.de/document/obj67102418?medium=dbsmboeblp2705 .

BILD: Eine Szene im Dresdner Schlosshofe am 3. Mai 1849

BILDUNTERSCHRIFT: König Friedrich August II. mit sächsischen Truppen im Hof des Dresdner Residenzschlosses, 3. Mai 1849  (Unbekannter Künstler)

Bildquelle: Dresden, Stadtmuseum, Inv.Nr. 1980/k 779/S II 80.

Parlamentarische Kontinuität über den Maiaufstand hinaus

Die Lage in Sachsen war angespannt. Es kam noch hinzu, dass die Frankfurter Nationalversammlung versuchte, eine Verfassung für den deutschen Nationalstaat gegen den Widerstand der Monarchen durchzusetzen. Da der sächsische König alle Zugeständnisse ablehnte, kam es in Dresden am 3. Mai 1849 zum Aufstand, an dem auch Mitglieder des drei Tage zuvor aufgelösten Landtags teilnahmen. Dass der Maiaufstand bald militärisch niedergeschlagen wurde, beendete für Sachsen noch nicht die Chance, ein parlamentarisches Regierungssystem zu erreichen. Denn im September 1849 mussten der König und seine Minister wieder einen Landtag wählen lassen, damit dieser rechtzeitig beschloss, weiter Steuern zu erheben. Deshalb wurde zum zweiten Mal ein Landtag nach dem Wahlrecht von 1848 gewählt. Die Linksliberalen verloren zwar Mandate, insgesamt stand das Parlament aber weiterhin nicht hinter dem Kurs der Regierung. Am 1. Juni 1850 löste König Friedrich August II. den Landtag auf, erklärte das Wahlrecht von 1848 für ungültig und berief zwei Tage nach diesem Gesetzesbruch wieder die Kammern des Jahres 1848 ein.

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BILD: Planzeichnung der Landtagseröffnung im Saal der II. Kammer am 26.11.1849, 13 Uhr

BILDUNTERSCHRIFT: Der Landtag 1849 wurde nicht im Dresdner Schloss, sondern im Saal der II. Kammer des Dresdner Landhauses eröffnet (Sächs HStA Dresden, OHMA10006, M, Nr. 55, Bl. 52)

Bildquelle: Sächs HStA Dresden, OHMA 10006, M, Nr. 55: Acta die Landtage 1848 - 1851, 1854 betreffend, Bl. 52.

BILD: Dresdner Landhaus, Zweite Kammer des Landtags ohne Mobiliar

BILDUNTERSCHRIFT: Die Zweite Kammer des Sächsischen Landtages ohne Mobiliar (SLUB Dresden/Digitale Sammlungen, Der Sachsenfreund, 4. Jg., Februar 1833, 2. Heft, zwischen S. 16 und 17)

Bildquelle: Sachsenfreund, 4. Jg. Februar 1833, 2. Heft, zwischen S. 16 und 17.

LINK: Hoffmann, Andreas: „Der Sitzungssaal der zweiten Kammer war […] als Saal zur Eröffnung bestimmt“. In: Landtagskurier 1/16, S. 22 f. https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/SLT_ZS_LK_1_16.pdf

LINK: Matzerath, Josef: „Finis Saxoniae“. Eine verfassungswidrige Wahlrechtsänderung im Sommer 1850. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 83-87  https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

Landtag in der Reaktionszeit

Das reaktivierte Parlament konstituierte sich nur mit Mühe, weil viele einberufenen Landtagsmitglieder sich der Rechtsbeugung nicht anschließen mochten. Aber auch die zusammengetretenen Kammern stimmten nicht jeder Vorlage der Regierung zu. Sie lehnten bspw. eine Wahlrechtsnovelle ab, sträubten sich gegen die Verstaatlichung der Patrimonialgerichte oder eine Neuregelung des Jagdrechts. Mit der Einführung der Gewerbefreiheit 1861, des Bürgerlichen Gesetzbuches 1865 oder der sukzessiven Verstaatlichung der Eisenbahnen stimmten die Kammer auch Änderungen zu, die die innergesellschaftliche Ordnung stabilisierten. Außenpolitisch lagen die Handlungsoptionen vorwiegend bei der Regierung, deren Außenminister Friedrich Ferdinand von Beust 1866 nicht davor zurückschreckte, dem Landtag über seinen Kurs im Krieg zwischen Österreich und Preußen die Unwahrheit zu sagen.

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LINK: Matzerath, Josef/Jäschke, Uwe Ulrich: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Die Mitglieder der sächsischen Landtage 1833 bis 1952. III. Teil: Wahlbezirke und Raumbezüge der sächsischen Landtage, Dresden 2011, S. 133-137

LINK: „... daß sie endlich Frieden haben wollen“. Der sächsische Landtag beendet das Jagdrecht auf fremdem Boden. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 88-92 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

LINK: „wegen unverbesserlicher Trunksucht“. Die Erste Kammer des sächsischen Landtags debattiert über das Bürgerliche Gesetzbuch. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 93-97 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

LINK: Wehmann, Christoph: Staats- und Privatwirtschaft. Der sächsische Landtag beschließt die Verstaatlichung der privaten Albertsbahngesellschaft. In: Landtagskurier 8/14, S. 22 f. https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/SLT_ZS_LK_8_14.pdf

LINK: „Krieg oder Parlament“. Ein verdecktes Vabanquespiel von Monarch und Regierung. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 98-103 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

Norddeutscher Bund und Kaiserreich (1868-1918)

Nachdem das Königreich Sachsen 1866 gemeinsam mit Österreich den Krieg gegen Preußen verloren hatte, musst es dem von Berlin dominierten Norddeutschen Bund beitreten. Als Bundesstaat behielt es aber seinen König und die staatlichen Institutionen. Sachsen hatte auch weiterhin ein Parlament. Das blieb auch so nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871. Seit 1866 musste der sächsische Landtag alle Gesetzgebung, die den Gesamtstaat betraf, an den Reichstag und den Bundesrat abgeben. Weiterhin zuständig war das Landesparlament für den Etat und die Steuern des Königreichs Sachsen, für die Verwaltung und Justiz, für Wirtschafts- und Kulturförderung sowie für die Wissenschaft oder auch für Daseinsfürsorge wie Nahrungsmittelkontrolle und Infrastrukturprojekte wie die Eisenbahn. 

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LINK: Wehmann, Christoph: Petitionen auf den Landtagen 1866 – 1910. In: Landtagskurier 7/16, S. 22 f. https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/SLT_ZS_LK_7_16.pdf

LINK: Matzerath, Josef: Ein königliches Hoftheater. Der sächsische Landtag bewilligt Gelder für den Bau der zweiten Semperoper. In: Landtagskurier 3/17, S. 22 f.

https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/SLT_ZS_LK_3_17_WEB_300dpi.pdf

BILD: Sachsen im Norddeutschen Bund

BILDUNTERSCHRIFT: Sachsen im Norddeutschen Bund 1866-1871 (IEG-MAPS, Server für digitale historische Karten)

Bildquelle: IEG-MAPS, Server für digitale historische Karten, Titel: Staaten im Norddeutschen Bund 1867, Bearbeiter: Andreas Kunz, Kartographie: Joachim Robert Moeschl, Herausgeber: Andreas Kunz https://www.ieg-maps.uni-mainz.de/mapsp/mapd867.htm .

Zensuswahlrecht

Um sich in den von Preußen dominierten Bundesstaat einzufügen, änderte Sachsen 1868 sein Wahlrecht. Es übernahm aber nicht das Wahlrecht des Reichstags, das allen erwachsenen Männer eine Stimme zubilligte. Die Erste Kammer des sächsischen Landtags behielt mit kleinen Änderungen ihren bisherigen Charakter. Für die Zweite Kammer hingegen wählten nun alle Männer, die Wohnungseigentum besaßen oder im Jahr einen Taler Steuern zahlten. Aufgrund dieser Beschränkung durften an Landtagswahlen nur halb so viele Personen ihre Stimme abgeben wie bei den Reichstagswahlen. Die Abgeordneten repräsentierten nun Wahlkreise und formierten sich im Unterhaus auch zu weltanschaulich ausgerichteten Gruppen. Die politischen Lager waren aber noch nicht so geschlossen wie heutige Fraktionen. Denn die Kammermitglieder, die auch unabhängig von ihrem Landtagsmandat als honorige Personen galten, waren kaum auf einen Parteiapparat angewiesen. Sie standen im späten Kaiserreich allerdings zunehmend professionalisierten Verwaltungen, Medien und Lobbyisten nicht mehr ausbalanciert gegenüber.

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LINK: Matzerath, Josef/Jäschke, Uwe Ulrich: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Die Mitglieder der sächsischen Landtage 1833 bis 1952. III. Teil: Wahlbezirke und Raumbezüge der sächsischen Landtage, Dresden 2011, S. 141-177

LINK: Matzerath, Josef: „Vervielfältigung der Interessen“. Die Wahlrechtsänderung des Jahres 1868. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Formierungen und Brüche des Zweikammerparlamentes (1833-1868), Dresden 2007, S. 104-107 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_6_07_WEB.pdf

BILD: Mitgliederverzeichnis und Sitzordnung des SLT 1866

BILDUNTERSCHRIFT: Mitgliederverzeichnis und Sitzordnung des sächsischen Landtags, Dresden [1866]

Bildquelle: Sächs HStA Dresden, OHMA 10006, M, Nr. 57, Bl. 168.

Dreiklassenwahlrecht

Um dem Aufstieg der Sozialdemokratie entgegenzuwirken, die auf einen modernen Parteiapparat setzte, führte die Zweite Kammer des Landtags 1896 ein Dreiklassenwahlrecht ein. Die Höchstbesteuerten und die Hochbesteuerten durften je zu einem Dritteln Wahlmänner ernennen, die einen Abgeordneten nominierten. Damit wurden die Stimmen der meisten Wähler, die nur wenig Steuern zahlten, de facto entwertet. Sozialdemokraten hatten kaum noch eine Chance in den Landtag gewählt zu werden, obwohl sie das Gros der sächsischen Sitze im Reichstag erhielten.

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LINK: Matzerath, Josef: Das sächsische Dreiklassenwahlrecht von 1896. Eine paternalistische Variante parlamentarischer Repräsentation. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Varianten der Moderne 1868 bis 1952, Dresden 2003, S. 23-28 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_4_03_WEB.pdf

LINK: Matzerath, Josef/Jäschke, Uwe Ulrich: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Die Mitglieder der sächsischen Landtage 1833 bis 1952. III. Teil: Wahlbezirke und Raumbezüge der sächsischen Landtage, Dresden 2011, S. 141-177 [### Link auf die Website des SLT ist noch nicht möglich.]

BILD: Sächsisches Dreiklassenwahlrecht von 1896

BILDUNTERSCHRIFT: Sächsisches Dreiklassenwahlrecht von 1896 (Grafik: Ö-Grafik)

Bildquelle: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Varianten der Moderne 1868 bis 1952, Dresden 2003, S. 25.

Pluralwahlrecht

Diese Diskrepanz war so groß, dass auf Druck von Lobbyverbänden und aufgrund von Großdemonstrationen 1909 erneut das Wahlrecht geändert wurde. Das Gewicht einer Stimme wurde nun nach Einkommen, Besitz, Vorbildung und Alter taxiert. Nach diesem Modus errang die SPD mit 54 Prozent der Stimmen immerhin 28 Prozent der Landtagsmandate.

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LINK: Matzerath, Josef/Jäschke, Uwe Ulrich: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Die Mitglieder der sächsischen Landtage 1833 bis 1952. III. Teil: Wahlbezirke und Raumbezüge der sächsischen Landtage, Dresden 2011, S. 201-221 [### Link auf die Website des SLT ist noch nicht möglich.]

Zweikammerparlament und gesellschaftlicher Wandel

Wahlrechtsänderungen nach der Verfassung von 1831 versuchten, den sich wandelnden gesellschaftlichen Führungsformationen politische Partizipationsmöglichkeiten zu geben. Das Gros der Gesellschaft hatte dagegen wenig Einflussmöglichkeiten. Dennoch gelang es in den ersten Jahrzehnten des Zweikammerparlaments, die Schranken der Ständegesellschaft zu beseitigen und nach dem Rollback 1850 bis 1866 Räume für eine individuelle und ökonomische Entfaltung zu öffnen. Sachsens Liberale hielte es sich zugute, gemeinsam mit der Regierung, den Gemeinden mehr Selbstbestimmung ermöglicht, Schule und Kirche getrennt und die Presse von der Zensur befreit zu haben.

Der sächsische Landtag errichtet von 1901 bis 1907 ein neues Tagungsgebäude. Der Fassadenschmuck des Bauwerks dokumentiert, dass das Parlament Sachsen als integrierten Teil des Kaiserreiches sah. Wie selbstverständlich wird darauf verwiesen, dass der Nationalstaat durch einen Krieg gegen Frankreich blutig erstritten worden war. Die Monarchie ist an der Fassade durch das Wappen des Königshauses sichtbar, während jeder Hinweis darauf fehlt, dass Sachsen zu den führenden Industrieregionen Deutschlands gehörte.  

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LINK: Matzerath, Josef: „aus unmittelbarem Miterleben“. Eine liberale und eine sozialdemokratische Lesart der Landtagsgeschichte 1850-1900. In: Landtagskurier 9/17, S. 22 f. https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/SLT_ZS_LK_9_17.pdf

LINK: Matzerath, Josef: Zwei Fassaden im Dienste der Reichsidee. Das Dresdner Ständehaus und der Berliner Reichstag. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Varianten der Moderne 1868 bis 1952, Dresden 2003, S. 29-35 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_4_03_WEB.pdf

LINK: Denk, Andreas: Eine Frage des nationalen Ausdrucks. Raumdisposition und Innenausstattung von Paul Wallots Dresdner Ständehaus. In: Matzerath, Josef: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Varianten der Moderne 1868 bis 1952, Dresden 2003, S. 36-43 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_4_03_WEB.pdf

BILD: Dresdner Ständehaus, Schlossplatzfassade

BILDUNTERSCHRIFT: Dresdner Ständehaus, Schlossplatzfassade (Unbekannter Fotograf, 1911)

Bildquelle: Privatbesitz: Josef Matzerath.