Landtag der Nachkriegszeit

In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Landtage einzurichten, war während des Zweiten Weltkrieges nicht in Moskau vorgeplant worden. Als aber die USA vier Monate nach dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland in ihrer Besatzungszone Vorbereitungen trafen, um Landesparlamente einzurichten, geriet die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) unter Zugzwang. Im Frühjahr 1946 stimmte Moskau einem Kurswechsel zu, sodass in Sachsen am 20. Oktober dieses Jahres Landtagswahlen stattfinden konnten. Trotz eines Wahlkampfs, in dem die SMAD die liberalen und konservativen Kandidaten behinderte, verfehlte die vereinigte Linke knapp die Mehrheit.

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BILD: Blick vom Präsidium in den Plenarsaal und auf die Besuchertribüne des Sächsischen Landtags, 1947

BILDUNTERSCHRIFT: Blick vom Präsidium in den Plenarsaal und auf die Besuchertribüne des Sächsischen Landtags, 1947 (Sächsischer Landtag: unbekannter Fotograf)

Bildquelle: Blick vom Präsidium in den Plenarsaal und auf die Besuchertribüne des Sächsischen Landtags, 1947. Sächsischer Landtag (unbekannter Fotograf).

BILD: Wahllokal der Landtagswahl 1946

BILDUNTERSCHRIFT: Wahllokal der Landtagswahl 1946, Dresden, Radeberger Straße (SLUB/Df: Foto: Höhne, Erich & Pohl, Erich)

Bildquelle: SLUB / Deutsche Fotothek, Nr.: df, hp, 0006674_001.

Blockparteien

Parteien hatte die SMAD bereits im Juni 1945 zugelassen. Die SED, ein Zusammenschluss aus KPD und SPD, die liberale LDP und die CDU bildeten in der Sowjetischen Besatzungszone schon vor der ersten Landtagswahl einen Parteien-Block. Man wollte gemeinsam gegen Faschismus Stellung beziehen. Statt unterschiedliche Perspektiven in konfrontativen Parlamentsdebatten sichtbar zu machen, sollte der Block schon vorab eine gemeinsame Position ermitteln und dann geschlossen öffentlich präsentieren. Dieses Modell ermöglichte es der SED, im ersten Nachkriegslandtag 1946-1950 ihre Vorstellungen weithin durchzusetzen. Die Besatzungsmacht nahm ebenfalls Einfluss auf die Entscheidungen des Landtags. Sie war aber auch der Garant seiner Existenz. Formal lehnte sich die 1946 in Sachsen gewählte Vertretungskörperschaft zunächst vielfach an das Vorgängerparlament der Weimarer Republik an. Die Blockparteien deklarierten aber einstimmige Beschlüsse für einen Fortschritt. Denn die offene Debatte habe den Nationalsozialisten den Weg zur Herrschaft geebnet.

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LINK: Matzerath, Josef/Jäschke, Uwe Ulrich: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Die Mitglieder der sächsischen Landtage 1833 bis 1952. III. Teil: Wahlbezirke und Raumbezüge der sächsischen Landtage, Dresden 2011, S. 243-247 [### Link auf die Website des SLT ist noch nicht möglich.]

LINK: Matzerath, Josef: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Die Mitglieder der sächsischen Landtage 1833 bis 1952. III. Teil: Mitglieder der sächsischen Landtage 1919 bis 1952, Dresden 2011, S. 49-63 [### Link auf die Website des SLT ist noch nicht möglich.]

LINK: Schriefl, Edith: Zeichen der Hoffnung. Die konstituierende Sitzung des sächsischen Nachkriegslandtag am 22. November 1946. In: Landtagskurier 7/21, S. 22 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/SLT_ZS_LK_7_21_PDF_UA.pdf

LINK: Schriefl, Edith: Das Rationen-Parlament. In: Landtagskurier 4/16, S. 22 f. https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/SLT_ZS_LK_4_16.pdf

BILD: Präsidium des Sächsischen Landtags 1946

BILDUNTERSCHRIFT: Präsidium des Sächsischen Landtags 1946: Otto Buchwitz (SED), Präsident des Landtages (m.), Prof. Dr. Hermann Kastner (LDPD), 1. Vizepräsident (l.), Paul Gruner (FDGB), Vizepräsident des Sächsischen Landtages (r.) (SLUB/DF, Foto: Seifert)

Bildquelle: SLUB/df, Hauptkatalog 0211053_001.

„Säuberungswelle“ und Einheitsliste

Um die Jahreswende 1947/48 entschloss sich die Besatzungsmacht, die politischen Strukturen der SBZ mehr den Machtverhältnissen in der Sowjetunion anzupassen. Die SED begann, andere Parteien und gesellschaftliche Gruppen von der Macht auszuschließen. Über die Abgeordneten des sächsischen Landtags brach eine „Säuberungswelle“ herein. Während der Wahlperiode 1946-1950 wurden 53 von 120 Mandatsträgern ausgetauscht. Bei der Neuwahl im Herbst 1950 verzichteten die Parteien auf einen Wahlkampf. Stattdessen traten sie mit einer Einheitsliste an, in der die Mandatsverteilung schon festgelegt war. Nur 27 Mitgliedern der ersten Wahlperiode gelang es, durch dieses Auswahlverfahren zu kommen und erneut ein Mandat zu erhalten. Wählerinnen und Wähler konnten der Einheitsliste nur ganz oder gar nicht zustimmen.

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LINK: Matzerath, Josef: »Einstimmigkeit ... als Symbol für unsere Politik«. Charakteristika des sächsischen Landtages 1946–1952. In: Ders.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Varianten der Moderne 1868 bis 1952, Dresden 2003, S. 80-87 https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/landtagskurier/Aspekte_Band_4_03_WEB.pdf

LINK: Schriefl, Edith: „wir wollen ja auch nicht immer hier in Trübsinn verkommen.“ – Humor im Landtag. In: Landtagskurier 8/16, S. 22 f.

BILD: Sächsischer Landtag im Soldatenheim, Dresden Königsbrücker Straße

BILDUNTERSCHRIFT: Provisorischer Tagungsort des sächsischen Landtags 1946-1952 im ehemaligen Soldatenheim, Dresden, Königsbrücker Straße, 1950

Bildquelle:  Sächsischer Landtag, 2. Wahlperiode, 1. Sitzung, S. 1: Titelfoto.

Abwicklung des sächsischen Landtags

Seit Frühjahr 1948 war auch eine zentralstaatliche Verwaltung aufgebaut worden, und am 15. Oktober 1950 wurde die Volkskammer als Parlament der gesamten SBZ gewählt. Weil Gesetze nun allgemein für die Besatzungszone erlassen wurden, wertete das die Rolle der Landtage grundlegend ab. Da sie die Gesetzgebungskompetenz verloren hatten, verblieb ihnen nur noch, die Umsetzung der Gesetze zu kontrollieren. Es wurde zur Hauptaufgabe von Abgeordneten, etwa Behörden, Versicherungsanstalten, Theater oder landwirtschaftliche Produktion zu überprüften. Plenarsitzungen waren dazu nicht erforderlich. Die Abschaffung des sächsischen Landtags am 25. Juli 1952 erschien deshalb den Beteiligten nicht als Untergang. Denn die Kontrollfunktion ging an die Dresdner, Leipziger und Chemnitzer Bezirkstage über. Interessen für ganz Sachsen konnten so aber nicht mehr formuliert werden.