Zeitzeugengespräch Lieblová und Kolmer in Theresienstadt

Dagmar Lieblová (*1929) wurde als Mädchen mit ihrer Familie nach Theresienstadt und später nach Auschwitz deportiert. Während ihre Familie in Auschwitz den Tod fand, kam sie als Zwangsarbeiterin zunächst nach Hamburg und überlebte am Ende das KZ Bergen-Belsen. Von Krankheit und Entbehrungen gezeichnet kehrte sie nach dem Krieg in ihre Heimatstadt Kutná Hora zurück. Sie studierte Philologie und Germanistik, gründete eine Familie und engagiert sich seit vielen Jahren als Vorsitzende des Vereins der ehemaligen Häftlinge des Ghettos Theresienstadt.

„So ganz normal ist mein Leben nie gewesen, unsere Kinder hatten keine Verwandten.“

Dr. Dagmar Lieblová/ Prof. Dr. Felix Kolmer

Zeitzeugengespräch mit Dr. Dagmar Lieblová und Prof. Dr. Felix Kolmer

Detailansicht öffnen: Prof. Dr. Felix Kolmer, Bernd Wenzel (Friedrich-Schiller-Gymnasium Pirna), Greta Hess, Albert Zientek (beide Schüler FSG Pirna), Dr. Dagmar Lieblová, Dr. Matthias Rößler
Prof. Dr. Felix Kolmer, Bernd Wenzel (Friedrich-Schiller-Gymnasium Pirna), Greta Hess, Albert Zientek (beide Schüler FSG Pirna), Dr. Dagmar Lieblová, Dr. Matthias Rößler

Dagmar Lieblová (*1929) wurde als Mädchen mit ihrer Familie nach Theresienstadt und später nach Auschwitz deportiert. Während ihre Familie in Auschwitz den Tod fand, kam sie als Zwangsarbeiterin zunächst nach Hamburg und überlebte am Ende das KZ Bergen-Belsen. Von Krankheit und Entbehrungen gezeichnet kehrte sie nach dem Krieg in ihre Heimatstadt Kutná Hora zurück. Sie studierte Philologie und Germanistik, gründete eine Familie und engagiert sich seit vielen Jahren als Vorsitzende des Vereins der ehemaligen Häftlinge des Ghettos Theresienstadt.

Felix Kolmer (*1922) geriet 1941 in die Fänge der Nationalsozialisten und musste zunächst in Zwangsarbeit das Ghetto Theresienstadt mit aufbauen. Er war dort Mitglied einer Widerstandsgruppe, wurde 1944 nach Auschwitz deportiert und floh kurz vor Kriegsende aus dem KZ Friedland, einem Außenlager des KZ Groß-Rosen. Nach dem Krieg studierte er Physik und arbeitete als Wissenschaftler auf dem Gebiet der Akustik. Er war u.a. stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Prag und Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees.

Im Kino der „Kleinen Festung“ Theresienstadt hatten sich gut 50 Schüler mit den beiden Zeitzeugen zu einem Gespräch über deren Erlebnisse verabredet. Dr. Dagmar Lieblová und Prof. Dr. Felix Kolmer berichteten den jungen Tschechen und Deutschen zunächst von ihren Wegen durch die Todeslager. Wie so oft sind es in solchen Momenten weniger die Fakten und mehr die einstigen Empfindungen, die die Zuhörer tief bewegen. So glich der Alltag im Ghetto von Theresienstadt weithin dem in vielen anderen damaligen Zwangsorten für die europäischen Juden – unmenschliche hygienische Verhältnisse, Hunger, Krankheit, Tod. Das Schlimmste, so Dagmar Lieblová, sei aber die ewige Angst gewesen, von hier aus in den Osten transportiert zu werden. Denn das bedeutete damals mit Sicherheit Arbeitslager oder den Tod. Und dennoch habe es auch in diesen Extremsituationen enge Freundschaften gegeben. Etwa zwischen ihr und einem anderen Mädchen namens Dagmar. Beide durchlitten Seite an Seite dasselbe, beide überlebten. Ihre Freundin war nach dem Krieg die einzige „Tante“ für ihre Kinder, deren gesamte Verwandtschaft dem deutschen Morden zum Opfer gefallen war.

Was beide Zeitzeugen (Felix Kolmer ist 95 Jahre alt, Dagmar Lieblová wird im kommenden Jahr 90) bis heute antreibt, ist die Weitergabe des Wissens an die junge Generation. Diese zeigte sich interessiert und wollte u.a. wissen, wie beide zur deutschen Sprache gefunden und wie lange sie gebraucht hätten, um über das Erlebte zu sprechen – zumal in Deutsch. Die Antworten überraschten nicht nur die Schüler. Während Frau Dr. Lieblová gestand, dass es für sie als Jüdin in der Tschechoslowakei der 1950er Jahre, wo es zu antisemitischen Schauprozessen kam, zu gefährlich gewesen sei, Englisch zu studieren, hob Professor Kolmer hervor, wie wichtig für ihn der Kontakt zu deutschen Wissenschaftlern in Dresden gewesen sei. Das habe geholfen, sein Bild von den Deutschen positiv zurechtzurücken.