27.01.2025
Mit der Aufführung der Mono-Oper "Das Tagebuch der Anne Frank" gedachte das Parlament am Internationalen Gedenktag für die Opfer des Holocaust im Plenarsaal der Opfer. An diesem Tag jährt sich die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zum 80. Mal. Zum Gedenken kamen u. a. Abgeordnete, Vertreter der Staatsregierung, des Verfassungsgerichtshofes, der jüdischen Gemeinden, der Kirchen sowie Schülerinnen und Schüler in den Landtag. Landtagspräsident Alexander Dierks eröffnete das Gedenken mit einer Rede.
Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, genauer gesagt befreiten sie, was die SS und ihre Schergen zurückgelassen hatten – wenige Tausend ausgemergelte, oft sterbenskranke Menschen, gefangen in der weltgrößten Todesfabrik. Der Holocaust und damit die systematische Menschenvernichtung hielten jedoch weiter an. Wie der israelische Historiker Daniel Blatman vermerkt, waren Mitte Januar 1945 noch über 700 000 Menschen im Netz deutscher Konzentrationslager inhaftiert. Bis zur endgültigen Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands am 8. Mai 1945 verloren mindestens 250 000 von ihnen ihr Leben. Die Häftlinge wurden ab Ende 1944 erbarmungslos auf sogenannte Todesmärsche getrieben, weg aus den Lagern im Osten, hinein ins Reichsgebiet. Eine von ihnen war Anne Frank. Aus Auschwitz kommend, starb sie irgendwann im Frühjahr 1945 im KZ Bergen-Belsen. Ihrem Schicksal und ihrem weltberühmten Tagebuch widmet sich die Mono-Oper "Das Tagebuch der Anne Frank", die im Sächsischen Landtag zur Aufführung kam.
Zuvor erinnerte Landtagspräsident Alexander Dierks die anwesenden Gäste, darunter Abgeordnete, Vertreter der Staatsregierung, des Verfassungsgerichtshofes, der jüdischen Gemeinden, der Kirchen sowie viele Schülerinnen und Schüler, an das Menschheitsverbrechen Holocaust. Die vor 80 Jahren befreiten Lager hätten gezeigt was passiert, wenn die Amoral und die Abwesenheit jeglicher Menschlichkeit zur Staaträson werden. Auch der Holocaust habe dabei einmal mit bösem Reden begonnen, mit dem Unterscheiden der Menschen nach ihrem Wert. "Es begann mit diskriminierenden, mit ausgrenzenden Gesetzen und steigerte sich dann ins Unermessliche. Vor dem Hintergrund der unfassbaren Verbrechen ist es deswegen wichtig, am 27. Januar zusammenzukommen", so Dierks. Die Toten könnten nur in Frieden ruhen, die Angehörigen nur Frieden finden, wenn das Gedenken nicht ende.
Millionen Menschen seien von den Nationalsozialisten ermordet worden. Eines von unzähligen Schicksalen sei damals Anne Frank gewesen. Heute wäre sie 95 Jahre alt, gab Dierks zu bedenken und fragte: "Was wäre wohl aus Anne Frank geworden, wenn sie den Nationalsozialismus überlebt hätte? Vielleicht wäre sie Schriftstellerin geworden, Lehrerin, Wissenschaftlerin oder Ärztin." Die Worte ihres Tagebuchs dürften daher nicht als ein Rufen aus der Vergangenheit, sondern als eindrückliche Stimme der Gegenwart begriffen werden.
Anne Frank mahne einmal mehr, dass es keinen Schlussstrich geben könne, so der Landtagspräsident weiter. Ganz im Gegenteil: Die Bundesrepublik Deutschland sei die Lehre aus den monströsen Verbrechen des Nationalsozialismus. Die Rolle des heutigen Deutschlands in Europa wäre undenkbar, hätte es nicht so eine umfangreiche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gegeben, wären nicht die richtigen Lehren gezogen worden und würden wir nicht noch heute an die Schrecken erinnern. Es gebe nichts Wertvolleres als Demokratie und Rechtsstaat. Und es sei die gemeinsame Verantwortung, auf unsere Demokratie, unser Land, auf das jüdische Leben in Deutschland aufzupassen. Wenn die Errungenschaften von Demokratie und Rechtsstaat einmal verspielt seien, dann dauere es Generationen, sie zurückzuerlangen. Alle seien daher aufgerufen, die Demokratie zu schützen.
Die künstlerische Umsetzung der Mono-Oper erfolgte durch die Theater Chemnitz – als Verantwortungsimpuls aus der Europäischen Kulturhauptstadt 2025. Das Musikwerk, so Dr. Christoph Dittrich, Generalintendant der Theater Chemnitz, sei wichtig. Es hole trotz der beklemmenden historischen Einordnung auf sehr persönliche Weise das Lebensgefühl einer Vierzehnjährigen heran, die über ein enormes literarisches Talent verfügt habe, deren einstige Lebensenergie sich aber im Versteck vor den Nationalsozialisten gar nicht habe entladen können.
Die Mono-Oper, ein musikalisch gesungener Monolog, stammt von dem russisch-jüdischen Komponisten Grigori Frid nach dem Tagebuch der Anne Frank. Unter der musikalischen Leitung von Maximilian Otto wirkte zur Aufführung im Sächsischen Landtag als Solistin Elisabeth Dopheide (Sopran), Sprecherin war Susanne Stein, es spielten Musikerinnen und Musiker der Robert-Schumann-Philharmonie.