Gesprächskreis im Ständehaus mit AdR-Präsident Karl-Heinz Lambertz

Datum 18.09.2018 bis 18.09.2018

New York Grand Central Terminal

Karl-Heinz Lambertz, der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR), war diesmal beim Gesprächskreis im Ständehaus zu Gast. Zum Thema "Wie weiter mit Europa? – Die Sicht der Regionen" hielt er ein Plädoyer für ein "Europa von unten", für ein Europa, das dort ist, wo die Menschen leben und seine Kraft aus den Regionen schöpft.

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Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler

In seiner Einführung dankte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler dem AdR-Präsidenten für sein Kommen, immerhin trennen Eupen, das politischen Zentrum der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien, und die sächsische Landeshauptstadt Dresden fast 700 Kilometer. Hier wie dort, so der Landtagspräsident, seien es im vereinten Europa die Mitgliedsstaaten und die Regionen, die das Gesamtkonstrukt trügen und die politische Heimat der Bürger blieben. Nötig sei daher nicht nur ein engeres Zusammenwirken zwischen den Regionen und der Europäischen Union, vielmehr bräuchte es ein stärkeres Einwirken der Regionen auf die EU. Insbesondere die Regionalparlamente sollten sich frühzeitig in die Brüsseler Entscheidungsfindung einbringen, forderte Rößler. Sie wüssten am besten, was vor Ort und was besser übergeordnet geregelt werden kann. Der Sächsische Landtag tue dies im Rahmen seiner Möglichkeiten als eine Art "Integrationswächter".

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AdR-Präsident Karl-Heinz Lambertz

Europa als persönlicher Mehrwert

Karl-Heinz Lambertz begann bedächtig, erinnerte an die europäische Idee und die Begeisterung, die sie bei ihm als Jugendlicher auszulösen vermochte, der aus einer europäischen Kernregion stammt, die immer wieder zwischen Krieg und Frieden hin- und hergerissen wurde. Heute höre er leider wieder nationalistische Töne, die der Idee von einem geeinten Europa zuwider liefen. Europa sei nun gar bei einigen mit Ängsten verbunden statt mit Hoffnungen. „Wenn jemand nach einem Sündenbock Ausschau hält, wird er immer öfter den Namen Europa hören.“ Dabei handle es sich um eine äußerst bedenkliche Entwicklung, denn genau das Gegenteil sei nötig. Europa müsse stärker gemeinsam auftreten, daran führe kein Weg vorbei.

Wie aber könne man „den Menschen wieder Lust auf Europa machen“ und was müsse sich ändern, damit wieder ein positiver Geist in Europa herrsche? Die Antwort, so Karl-Heinz Lambertz, sei einfach, es hinzubekommen schwierig. Man müsse die Menschen in den Regionen und dort wo sie leben davon überzeugen, dass Europa „für sie ganz persönlich einen materiellen, einen intellektuell-geistigen und auch einen emotionalen Mehrwert hat“. Das sollte das Ziel allen europapolitischen Handelns sein.  

Ein Europa von unten, solide finanziert

Europa müsse daher vom Kopf auf die Beine gestellt werden. Es brauche ein „Europa von unten“. Die rund 300 Regionen hätten dabei eine besondere Rolle zu spielen und Bewegung in die Europapolitik zu bringen. Es gelte, die Kraft des europäischen Mehrebenensystems besser zu nutzen, wo jede Ebene ihre Aufgabe habe. Es gehe also um Subsidiarität und damit um das Prinzip, Politik immer so nah wie möglich an den Menschen zu gestalten – von der Kommune bis zu Europa. Und Europa müsse dafür Sorge tragen, nur dort zu regeln, wo europäische Normen einen wirklichen Mehrwert für alle haben. Der Ausschuss der Regionen akzeptiere dabei keinesfalls ein Schlechtreden der für die Regionen so wichtigen Kohäsionspolitik, bei der Mittel von reicheren zu ärmeren Regionen umverteilt werden. Kohäsion sei schließlich eine Methode, mit der politische Projekte vor Ort umgesetzt würden – also bei den Menschen.

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Podiumsdiskussion
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Podiumsdiskussion

Mehrheiten für regionale Probleme

In der sich anschließenden Podiumsdiskussion erörterten neben Karl-Heinz Lambertz die Mitglieder des Europäischen Parlaments Dr. Cornelia Ernst (Die Linke) und Hermann Winkler (CDU) sowie Czesław Fiedorowicz, Vorsitzender des Sejmiks der Wojewodschaft Lubuskie, facettenreich die Thematik. Sie schlossen sich nahezu einhellig den Gedanken des Impulsredners an, dass europäische Politik mehr Gestaltung zulassen müsse, die in den Regionen wirke und bei der die Regionen selber anpacken können. Wobei Czesław Fiedorowicz noch ein Argument ergänzte, das für deutsche Ohren ungewohnt klang, aber auf die momentanen politischen Verhältnisse in Polen abzielte. Die Regionen erhielten nämlich auf diese Weise auch mehr gestalterische Eigenständigkeit, die sie von der Zentralmacht emanzipiere und deren Zugriff beschränke. Der Gewinn der EU sei die Stärkung der Regionen.

Hermann Winkler stellte unter Zustimmung seiner Kollegin Dr. Cornelia Ernst dar, wie sehr die regionale Zusammenarbeit im Europäischen Parlament ausgeprägt sei. Probleme würden oft zuerst unter Abgeordneten beraten, die aus den betroffenen Regionen kämen, unabhängig von ihrer Fraktionszugehörigkeit. Das gelte im sächsischen Fall besonders für die mittel- und osteuropäischen Nachbarn, mit denen gute Kooperationen bestünden. Hier böten sich Chancen, Europa unter Berücksichtigung der Regionen gemeinsam neu zu gestalten.