27.01.2016 bis 27.01.2016
Mit einer gemeinsamen Veranstaltung im Plenarsaal des Sächsischen Landtags gedachten das Parlament und die Staatsregierung gemeinsam mit mehr als 300 geladenen Gästen der Opfer des Nationalsozialismus. Die Gedenkrede hielt in diesem Jahr Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrates der Juden. Der Synagogenchor Dresden gestaltete die Gedenkstunde musikalisch.
Unter den Gästen waren neben zahlreichen Abgeordneten, Mitgliedern der Staatsregierung und Repräsentanten des öffentlichen Lebens zahlreiche Vertreter von Opferverbänden sowie eine Schulklasse des Dresdner Romain-Rolland-Gymnasiums. Der Synagogenchor Dresden umrahmte die Gedenkveranstaltung musikalisch.
Landtagspräsident Dr. Rößler: Mehr gesellschaftliche Wachsamkeit und politische Entschiedenheit notwendig
Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler hat anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus dazu aufgerufen, sich stets der Geschichte und des Menschheitsverbrechens Holocaust zu erinnern und mit noch mehr gesellschaftlicher Wachsamkeit und noch mehr politischer Entschiedenheit gegen antisemitisches Gedankengut und antijüdische Ressentiments vorzugehen: „Es beschämt mich, wenn Juden in Europa heute wieder in Angst leben, wenn sie wieder ihr Judentum in der Öffentlichkeit verbergen müssen und aus Europa emigrieren“.
„Wir alle sind gefordert, uns dem Antisemitismus, ob verbreitet von Rechtsextremisten, von radikalen Muslimen oder verpackt in einer antizionistischen Aggressivität, entschieden zu erwehren“, so Rößler.
„Hass gegen Menschen darf in Deutschland keinen Platz haben“, betonte Dr. Matthias Rößler bei der Gedenkstunde im Plenarsaal des Sächsischen Landtags mit Blick auf den „aufwogenden Hass auf gesellschaftliche und religiöse Minderheiten, auf Fremde, auf Andersdenkenden, schlichtweg auf andere Menschen“. „Wir müssen ihm mit den unveräußerlichen Werten unserer Verfassung: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaat entgegnen.“
Martin Dulig, stellvertretender Ministerpräsident Sachsen: „Wir tragen die Verantwortung für unser heutiges Handeln.“
„Wir tragen die Verantwortung für unser heutiges Handeln, in dem Bewusstsein und dem Wissen um den Holocaust, dass es nie wieder soweit kommen darf“, so Martin Dulig, stellvertretender Ministerpräsident von Sachsen, heute Vormittag im Sächsischen Landtag. „Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch immer zuerst Mensch ist, jeder die Chance auf ein Leben in Würde erhält und niemand um sein Leben fürchten muss. Deswegen stellen wir uns jedem Versuch, zu relativieren und zu verharmlosen, entschieden in den Weg.“
„Wir brauchen Streit um die Sache und Respekt statt Hetzparolen. Wenn es ein Vermächtnis von Auschwitz für die heutige Zeit gibt, dann ist es die besondere Achtung vor den grundlegenden Werten Vielfalt, Toleranz und Mitgefühl in einer pluralen Gesellschaft. Ich bin zuversichtlich, dass es diese Werte sind, nach denen die allermeisten Menschen leben wollen“, so Dulig weiter.
Gedenkrednerin Dr. Charlotte Knobloch forderte im Sächsischen Landtag mehr Patriotismus und Selbstbewusstsein in Deutschland:
Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. Charlotte Knobloch, warnte eindringlich vor dem wiedererstarkenden Antisemitismus in Deutschland und ganz Europa. „71 Jahre nach dem Holocaust werden auch in Europa wieder Menschen ausgegrenzt, diffamiert und ermordet, weil Sie Juden sind.“ Das sei ein Armutszeugnis.
Angesichts der enormen nationalen und globalen Herausforderungen für Deutschland appellierte Knobloch daran, den Satz „Wir sind das Volk“ zu re-vitalisieren. Sie forderten alle demokratischen Kräfte auf: „Überlassen Sie das Wir nicht den Falschen, den ideologischen Scharfmachern und Hetzern. Endlich müssen wir in Deutschland einen aufgeklärten, geläuterten Werte-Patriotismus etablieren – müssen stolz und selbstbewusst zu unserem Land stehen. Nur dann können wir die gegenwärtigen enormen globalen und nationalen Herausforderungen stemmen. Nur dann können wir die Errungenschaften der letzten sieben Jahrzehnte vor den vielseitigen freiheitsfeindlichen Tendenzen beschützen. Wir dürfen, ja wir müssen aufrechte Patrioten sein – nicht trotz, sondern wegen unserer schrecklichen Geschichte. Sie mahnt uns, niemals zu vergessen, in welche Katastrophe eine Staats- und Gesellschaftsordnung führt, die von Hass dominiert wird anstatt von Gewissen, Verantwortung und der unbedingten Achtung vor der Würde des Menschen.“
Synagogenchor Dresden
Die Anfänge des Chores reichen bis in die 1960er Jahre zurück. Neben der regelmäßigen musikalischen Gestaltung der Schabbat- und Feiertagsgottesdienste in Dresden und Chemnitz nimmt seit einigen Jahren die Konzerttätigkeit des Frauenchores einen immer größeren Raum ein. Da der Chor aus gottesdienstlichem Wirken hervorgegangen ist, fühlt er sich vor allem der synagogalen Musik verpflichtet. Zum Repertoire des Ensembles gehören Werke der wichtigsten Vertreter der Synagogalmusik des 19. und 20. Jahrhunderts (u. a. Lewandowski, Sulzer, Naumbourg, Alman, Davidson, Nowakowsky, Weißer, Dunajewski, Weintraube etc.) im Original bzw. in chorspezifischen Bearbeitungen. Doch auch modernen israelischen Komponisten widmet der Chor, der seit 1988 von Ursula Philipp-Drescher geleitet wird, viel Aufmerksamkeit.
Hintergrund zum Gedenktag 27. Januar
Der 27.Januar ist in der Bundesrepublik Deutschland nationaler Gedenktag zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Er wurde vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog 1996 proklamiert. Seit 2006 gedenken der Sächsische Landtag und die Staatsregierung jedes Jahr an diesem Tag - dem Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz - der Opfer mit einer gemeinsamen Veranstaltung im Plenarsaal des Sächsischen Landtags.