Zwischen akademischem Anspruch und polizeilicher Praxis

Datum 10.06.2021

Polizeibeamte in der Ausbildung

Polizeibeamte in der Ausbildung

Anhörung im Innenausschuss

Polizeiausbildung in Sachsen wird grundlegend modernisiert

Der von der Staatsregierung Anfang April 2021 vorgelegte Entwurf über ein »Gesetz zur Neuordnung der Organisation von Studium, Ausbildung und Fortbildung der sächsischen Polizei« (Drs 7/6004) sieht weitreichende Veränderungen vor. Zentral ist dabei, dass die bislang auf verschiedene Behörden verteilten Zuständigkeiten für Studium, Aus- und Fortbildung der Polizei künftig bei der Hochschule der Sächsischen Polizei gebündelt werden sollen. Neben einer verstärkten wissenschaftlichen Ausrichtung sind auch Reformen im organisatorischen Aufbau der Fachhochschule vorgesehen. Der Innenausschuss hat sich mit den genauen Modalitäten am 10. Juni 2021 in einer öffentlichen Anhörung beschäftigt.

In seinem Eingangsstatement stellte der Sachkundige Friedel Durben fest, gute Bildung sowie eine anerkannte Bildungsorganisation seien entscheidende Voraussetzungen dafür, dass die Polizei qualitativ gute Arbeit abliefere, dass sie Anerkennung bei den Bürgerinnen und Bürger finde, der Beruf für junge Menschen attraktiver und die Polizei insgesamt zukunftsfähig werde. Sowohl die Stellungnahmen der Sachkundigen als auch die sich anschließende Fragerunde mit den Ausschussmitgliedern warfen aber recht schnell das Licht auf ein Grundproblem der geplanten Reform. Einerseits soll die Nähe zur Berufspraxis in der polizeilichen Ausbildung erhalten bleiben, andererseits dürfte eine stärkere Akademisierung nach kritischer Distanz von Forschung und Lehre zur Polizei verlangen. In diesem Spannungsverhältnis werden sich die künftigen Polizeianwärter genauso wiederfinden wie die Lehrkräfte an der Fachhochschule und die Vertreter in den Hochschulgremien. In der Anhörung wurden verschiedene Vorschläge erörtert, wie man diese Ansprüche ausbalancieren könnte. Dabei rieten die Sachkundigen zu unterschiedlichen Prioritäten: Prof. Dr. Michael Fehling betonte, wenn der Hochschule der Sächsischen Polizei eine derart wichtige Rolle zukommen solle, müsse man umso größere Anstrengungen unternehmen, das eher wissenschaftsfremde, hierarchische Polizeidenken und den entsprechenden Korpsgeist in Einklang mit der akademischen Ausbildung zu bringen. Prof. Dr. Hartmut Aden riet dazu, die Polizeiausbildung nicht in einer eigenen Hochschule vorzunehmen, sondern in eine der bereits bestehenden sächsischen Fachhochschulen zu integrieren – um Synergien zu nutzen, aber auch, um Distanz zu gewinnen. Prof. Dr. Sabrina Schönrock gab zu bedenken, dass, selbst wenn es einen Studiengang für künftige Polizisten an einer freien Hochschule geben sollte, dieser genauso den Bedürfnissen der Polizeiausbildung Rechnung tragen müsse. Dazu gehöre, dass es in der polizeilichen Ausbildung – auch im Studium – Praxismodule geben müsse, die klassische Professuren so nicht leisten könnten. Friedel Durben wie auch Carsten Kaempf (beide Direktoren der Polizeihochschulen ihres jeweiligen Landes) betonten daraufhin, dass am Ende jeder Ausbildungsform ein Polizist sofort auch »berufsfertig« sein müsse – das Beibehalten einer Hochschule, die sich auf diese Bedürfnisse spezialisiere, sei daher sinnvoll. Durben ergänzte, eine interne Polizeihochschule zeichne sich dadurch aus, dass sie eine hohe Identifikation mit den Abnehmern habe. Diese Identifikation dürfe man nicht verlieren durch die Art und Weise, wie sie strukturiert und aufgebaut werde. Er riet zugleich dazu, die Integration der Fachhochschule in die Region und ihre Internationalisierung nicht zu vernachlässigen. Vielfach gelobt wurde, dass eigene Forschungskompetenzen der sächsischen Polizei künftig deutlich gestärkt werden sollen.

Kritik an der geplanten Organisation der Fachhochschule

Zugleich wurde in der Anhörung Kritik an den geplanten Strukturänderungen der Hochschule der Sächsischen Polizei geäußert. So bemängelte Karsten Lauber – wie auch die meisten anderen Sachkundigen –, dass nach diesem Gesetzentwurf im Senat eine eigenständige Vertretung der Professuren fehlen werde. Damit würden in diesem beschlussfassenden und äußerst bedeutsamen Gremium vor allem polizeiliche, aber kaum wissenschaftliche oder auch hochschulpolitische Aspekte berücksichtigt. Die Gewerkschaftsvertreter Hagen Husgen und Torsten Schmortte kritisierten zudem, dass in den Fachvertretungen der Bereich Fortbildung fehle und der Abteilungsleiter für Ausbildung der Einzige sei, der kein Prorektor werden könne. Weiterhin bemängelten sie die fehlende Berücksichtigung der Personalvertretung der Polizei im künftigen Fachhochschulbeirat. Hagen Husgen merkte außerdem an, dass eine gemeinsame Bildungseinrichtung auch die verschiedenen dort beschäftigten Lehrkräfte gleichwertig behandeln müsse. In über dreieinhalb Stunden Anhörung wurden noch weitere Aspekte ausgelotet. Trotz der vielen Einzelkritiken rieten die Sachkundigen schließlich zu einer Annahme des Gesetzentwurfs, denn eine generelle Neuausrichtung im Bereich der Fachhochschule und damit auch die Anhebung der Polizeiausbildung im Freistaat Sachsen auf ein höheres Niveau wurde durchweg unterstützt. Die Fraktionen haben in den nächsten Wochen Gelegenheit, den Gesetzentwurf mit Änderungsanträgen weiter zu gestalten.

SACHKUNDIGE:

Prof. Dr. Hartmut Aden >> Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Friedel Durben >> Direktor an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz

Prof. Dr. Michael Fehling >> Bucerius Law School, Hamburg

Hagen Husgen >> Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Sachsen

Carsten Kaempf >> Rektor der Hochschule der Sächsischen Polizei

Karsten Lauber >> Kriminologe, Polizeiwissenschaftler

Torsten Schmortte >> Stellv. Landesvorsitzender Bund Deutscher Kriminalbeamter Sachsen

Prof. Dr. Sabrina Schönrock >> Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin