Was darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk kosten?

Datum 14.09.2020

Radiomoderatorin bei der Arbeit

Radiomoderatorin bei der Arbeit

Anhörung im Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien

Unter hohem öffentlichem Interesse tagte am 14. September 2020 der Ausschuss für Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kultur und Tourismus. In der Anhörung ging es vor allem um die Erhöhung des Rundfunkbeitrages.

86 Cent machen den Unterschied

Der Sächsische Landtag berät über die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland

Am 14. September 2020 hatte der Ausschuss für Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kultur und Tourismus zu einer Anhörung geladen. Hinter dem etwas sperrigen Titel der zu beratenden Drucksache, »Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge «, verbarg sich ein Vorhaben mit viel Diskussionsstoff: die erste Erhöhung des Rundfunkbeitrages seit zehn Jahren, von derzeit 17,50 Euro auf 18,36 Euro ab dem 1. Januar 2021.

Wie dem vergleichsweise großen öffentlichen Interesse im Plenarsaal anzusehen war, handelt es sich bei dieser Anpassung von 86 Cent für jeden betroffenen Haushalt nicht um eine Lappalie. Jeder Cent einer Anpassung bedeutet hochgerechnet Millionenbeträge, die die Rundfunkanstalten von ARD, ZDF und Deutschlandradio bis 2024 in ihren Haushalten einplanen können oder gegebenenfalls einsparen müssen. Die Empfehlung für die Anhebung stammt von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Sie prüft, wie viel Geld die Sender zur Deckung ihres Programm- und Personalbedarfs benötigen, und macht in diesem Verfahren zugleich immer auch Vorschläge für Einsparmöglichkeiten.

Sachkundige bewerten die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags

In der nun erfolgten Anhörung im Sächsischen Landtag kamen verschiedene Sichtweisen zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum Tragen. Als amtierender Vorsitzender der ARD (und zugleich Intendant ihres größten Senders, dem WDR) war Tom Buhrow als Sachkundiger in den Medienausschuss geladen. Aus Sicht der Rundfunkanstalten ist die geplante Anhebung mit Verzicht und Einsparungen verbunden. Ihr ursprünglich bei der KEF eingereichter Finanzbedarf hätte einen künftigen Rundfunkbeitrag von über 19 Euro bedeutet. Ebenso wie Ralf Ludwig, Verwaltungsdirektor im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), verwies Buhrow auf die wichtige Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland. Gerade die aktuelle Corona-Pandemie habe deutlich vor Augen geführt, wie wichtig unabhängige Berichterstattung sei. Am konkreten Beispiel des MDR wurde zudem aufgezeigt, dass das Beibehalten des jetzigen Beitrags deutliche Einschnitte im Programm und einen drastischen Personalabbau nach sich ziehen würde. Dr. Heinz Fischer-Heidlberger, Vorsitzender der KEF, betonte in der Anhörung, dass die Kommission trotz der finanziellen Ausfälle für die Rundfunkanstalten während der Corona-Pandemie bei ihrer Empfehlung bleibe. Dass es Medienanbieter braucht, die frei von marktwirtschaftlichen Interessen freie Berichterstattung – insbesondere auch auf regionaler und lokaler Ebene – praktizieren, dem stimmte auch Prof. Dr. Markus Heinker, Professor für Medienwirtschaft Medienwirtschaft und Medienpolitik an der Hochschule Mittweida, zu. Zugleich verwies er aber sehr deutlich auf Fehlentwicklungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und bescheinigte ihm einen gravierenden Reformstau. Ähnlich formulierte es auch Dr. Christine Horz, Professorin für Transkulturelle Medienkommunikation an der TH Köln. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten seien unverzichtbar und existenziell wichtig für das Fortbestehen der demokratischen Debattenkultur und des Gemeinwesens. Ihre intransparent arbeitenden Gremien führten aber zu Akzeptanzproblemen bei der Bevölkerung. Sie schlug vor, die Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen unter Beteiligung der Bürger weiterzuentwickeln und Menschen mit moderneren Medienformaten insgesamt stärker einzubeziehen. Der Blogger Hadmut Danisch kritisierte, die Aufgaben der öffentlich- rechtlichen Medien würden ausufern, außerdem seien sie zu kostenintensiv. Prof. Dr. Dieter Dörr, Medienrechtler aus Mainz, erinnerte die Mitglieder des Ausschusses schließlich daran, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf funktionsgerechte Finanzierung habe. Eine anschließenden Fragerunde vertiefte die Wertungen der Sachkundigen weiter. Nach etwa zweieinhalb Stunden endete die Anhörung. Die nächste Beratung zum Gesetz wird im Oktober im Medienausschuss stattfinden. Danach legt er dem Plenum eine Beschlussempfehlung vor, so dass der Landtag voraussichtlich in seiner Sitzung Anfang November darüber abstimmen kann.

Premiere bei der Technik

In der Anhörung des Medienausschusses gab es eine Premiere: Zum ersten Mal wurden im Sächsischen Landtag Sachkundige per Videokonferenz in den Plenarsaal zugeschaltet. Trotz der betagten Technik verlief der erste Versuch in weiten Teilen erfolgreich. Videokonferenzen könnten damit auch in Zukunft eine Alternative zum aufwendigen Heranziehen von Fachleuten aus dem ganzen Land sein.

WAS IST EIN STAATSVERTRAG?

Staatsverträge dienen der formellen Kooperation unter den deutschen Bundesländern. Wenn Gesetzgebung und Vollzug von Landesrecht nur in einer einheitlichen Form als sinnvoll erscheinen, kann man sich zum Abschluss von Staatsverträgen zwischen mehreren oder sogar allen Bundesländern entscheiden. Neben Angelegenheiten des Rundfunks gibt es beispielsweise auch Staatsverträge für die Bereiche des Glücksspielrechts, des Hochschulzulassungsrechts oder bei manchen medizinischen Fragen. Staatsverträge zu fassen oder zu ändern, braucht in der Regel sehr viel Zeit. Die Anliegen vieler Bundesländer müssen koordiniert und Kompromisse zwischen den verschiedenen Landesregierungen gefunden werden. Das kann mehrere Jahre dauern. Ist es so weit, unterzeichnen die Ministerpräsidenten aller beteiligten Länder den Staatsvertrag. Anschließend wird er den jeweiligen Landesparlamenten zur Ratifizierung vorgelegt. Der 1. Medienänderungsstaatsvertrag löst den bis dato geltenden 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ab. Mit ihm soll der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geändert werden, in dem die genaue Höhe des Rundfunkbeitrages festgeschrieben wird. Für die Änderung braucht es die Zustimmung aller 16 Landesparlamente.