Stärkere Anstrengungen beim Frauenschutz

Datum 18.05.2022

Abgeordnete und Sachkundige sitzen während der Anhörung im Beratungssaal.

Anhörung im Ausschuss für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung

Europäisches Vorhaben will Betroffene besser unterstützen

Detailansicht öffnen: Marko Schiemann leitet die Sitzung des Verfassungsausschusses.
Marko Schiemann leitet als Vorsitzender die Sitzung des Ausschusses für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung.
Detailansicht öffnen: Innenhof des Landtags mit Wasserbecken
Die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt ist wesentlich höher als die angezeigten Fälle (2020: 9232 Fälle).

Der Ausschuss für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung ließ sich am 18. Mai 2022 zu einer Drucksache berichten, die Aspekte der Gleichstellung, Strafverfolgung und europäische Belange gleichermaßen beinhaltet. In der öffentlichen Anhörung aufgerufen war eine geplante EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Schätzungen zufolge ist ein Drittel der Frauen in der EU von Gewalt betroffen. Mehr als jede fünfte Frau hat häusliche Gewalt und etwa ein Drittel hat sexuelle Belästigung an ihrem Arbeitsplatz erlebt. Im Internet ist die Anstiftung zu Gewalt gegen Frauen ein wachsendes Problem. Mit dem von der EU vorgelegten Vorschlag soll die Strafverfolgung gegen bestimmte Formen von Gewalt, von denen Frauen besonders stark betroffen sind, wirksamer werden.

Hohe Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt

Kaja Deller, Verein für Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland, wies darauf hin, dass im Jahr 2020 in Sachsen 9 232 Fälle von häuslicher Gewalt erfasst wurden. Die Dunkelziffer sei jedoch viel höher. Die EU-Richtlinie könne die Länder dazu verpflichten, Meldeverfahren sicherer und leichter zugänglich zu gestalten, sodass mehr Taten zur Anzeige gebracht würden. Sophie Wetendorf, Fachberaterin aus Böhlen, sprach sich vor allem für die in der Richtlinie vorgesehene Fortbildungspflicht für Fachpersonal aus.

Laut Maria Dabrunz von der Beratungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt Radebeul ist die derzeitige Strafverfolgung von Taten im Bereich häuslicher Gewalt ausbaufähig. Es gebe zum Teil enorm lange Wartezeiten und die Befragung von Opfern werde nicht immer von geschultem Personal durchgeführt. Die Beweissicherung bei sexualisierter Gewalt werde in Sachsen mit einem Modellprojekt vorangetrieben, müsse aber weiter ausgebaut werden. Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß von der Hochschule Merseburg wies darauf hin, dass Sachsen bei der Versorgung mit Fachberatungsstellen für Gewaltbetroffene deutschlandweit ein Schlusslicht sei.

Anne Roth, Referentin für Netzpolitik, lobte, dass in der Richtlinie ein größerer Fokus auf Cybergewalt gelegt werden soll. Ihrer Erfahrung nach werden vermehrt technische Möglichkeiten zur Ausübung von Kontrolle, Stalking oder Verleumdungen von Frauen genutzt. Politische Vorhaben gegen Möglichkeiten der Anonymität im Internet wertete sie als verfehlt. Stattdessen müsse die Strafverfolgung im Internet ausgebaut werden. Drohungen würden häufig mit vollem Klarnamen gepostet, da sich die Verfasser in Sicherheit wägten.

Die Drucksache wird in den kommenden Wochen in den mitberatenden Ausschüssen für Soziales und Inneres in öffentlicher Sitzung abschließend beraten. Die Termine sind im Sitzungskalender einsehbar.

Sachkundige

  • Maria Dabrunz, Sozialarbeiterin und Kriminologin M. A., Beratungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt Radebeul
  • Kaja Deller (per Video zugeschaltet), Diplom-Juristin und Projektleiterin im Bereich Gewalt gegen Frauen, JUMEN e. V. – Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland (Berlin)
  • Dipl.-Pol. Anne Roth (per Video zugeschaltet),  Referentin für Netzpolitik, Berlin
  • Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß (per Video zugeschaltet),  Professur für Sexualwissenschaft und Sexuelle Bildung, Prorektor für Studium und Lehre, Hochschule Merseburg
  • Sophie Wetendorf, Beraterin, Psychosoziale Prozessbegleiterin, Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking, Wegweiser e. V., Böhlen

Protokoll

Hier gelangen Sie zum Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung.

Autorin: Janina Wackernagel