Neue Einteilung der Wahlkreise empfohlen

Datum 04.07.2022

Hand hält Sitzungsplan auf der Besuchertribüne, im Hintergrund unscharf: Plenarsaal

Anhörung im Ausschuss für Inneres und Sport

Innenausschuss hört Sachkundige zum Bericht der Wahlkreiskommission an

Die Wahlkreiskommission in Sachsen hat die Aufgabe, in jeder Legislaturperiode die durchschnittlichen Wahlkreisgrößen zu überprüfen und Vorschläge einzureichen. In ihrem aktuellen Bericht zeigt sie Handlungsbedarf an. Der Ausschuss für Inneres und Sport befasste sich in einer Sondersitzung am 4. Juli 2022 mit dem Thema.

Die Bevölkerungszahl in Sachsen geht weiterhin zurück. Der Trend verläuft jedoch von Region zu Region unterschiedlich. Während ländliche Gebiete vergleichsweise viele Einwohner verlieren, wächst die Bevölkerung in den Großstädten. Daraus ergeben sich nicht nur Folgen für das Leben in den Landkreisen selbst, sondern auch für die Einteilung der Wahlkreise, die den Wahlen zum Sächsischen Landtag zugrunde liegen.

Der Grundsatz der Gleichheit fordert, dass alle Stimmen das gleiche Gewicht haben sollten. Dafür ist es notwendig, dass alle Wahlkreise möglichst gleich groß sind. Durch die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen wählen aber mittlerweile in den ländlichen Gebieten teilweise deutlich weniger Wähler pro Wahlkreis einen Abgeordneten als in den Großstädten. Die unabhängige Wahlkreiskommission hat daher Szenarien vorgestellt, wie der Gleichheitsgrundsatz bewahrt bzw. ver­bessert werden könnte. Eine entsprechende Änderung wird es schon zur nächsten Landtagswahl im Jahr 2024 geben müssen.

Kleinere Eingriffe effektiv

Um die vorgeschlagenen Varianten zu bewerten, hatte der Innenausschuss am 4. Juli 2022 vier Experten eingeladen. Als erster Sachkundiger äußerte sich Prof. Dr. Bernd Grzeszick von der Universität Heidelberg. Aus seiner Sicht habe Variante 1 (s. u.) klare Vorteile, da sie das Ziel, welches die Wahlkreiskommission zu erfüllen habe, mit dem geringstmöglichen Eingriff in die bestehenden Wahlkreis- und Rechtsgrundlagen erreiche. Demnach bliebe die Gesamtzahl der Wahlkreise erhalten, lediglich das Vogtland würde einen Wahlkreis verlieren, die Stadt Leipzig erhielte hingegen einen dazu. Variante 3 baue auf diesem Vorschlag auf, verschiebe aber die Aufteilung der Wahlkreise noch stärker zugunsten der Großstädte Leipzig und Dresden. Die von der Wahlkreiskommission empfohlene Variante 2 sei grundsätzlich problematisch, weil sich damit das Wahlsystem selbst ändere, etwa in Bezug auf das Verhältnis zwischen Direkt- und Listenmandaten. Dieser Vorschlag gehe über die eigentliche Aufgabe der Wahlkreiskommission hinaus.

Die Expertin für Mathematik von Wahlsystemen, Dr. Kai-Friederike Oelbermann hob, vor allem auf die Zukunftsfähigkeit der Varianten ab. Sie führte dazu Modellrechnungen an, die den Bevölkerungsstand der Jahre 2020 und 2029 miteinander verglichen. Demnach sei Variante 1 zwar minimalinvasiv, aber bezüglich der unterschiedlichen Wahlkreisgrößen immer noch verzerrt und zudem nicht besonders robust für die Zukunft. Die Wahlkreiszuteilung nach Variante 3 wäre hingegen weniger verzerrt und etwas zukunftssicherer. Variante 2 sei aus ihrer Sicht die beste Lösung. Sie biete den Vorteil einer weitestgehend gleichmäßigen Verteilung der Bevölkerung auf die Landkreise und Kreisfreien Städte. Hinzu komme, dass dieses Modell auch im Lichte der aktuellen Bevölkerungsprognosen stabil bleibe.

Landkreise nicht ­benachteiligen

Kerstin Schöniger, Sprecherin des Städteverbundes Göltzschtal, warnte vor möglichen negativen Folgen einer Reform in ihrer Region. Bisher gehöre die Stadt Rodewisch zu einem anderen Wahlkreis als die Verbandsmitglieder Auerbach, Ellefeld und Falkenstein. Würde nun noch Falkenstein in einen anderen Wahlkreis wechseln, verbaue man sich Chancen, die Region nach außen gemeinschaftlich darzustellen oder vielleicht sogar irgendwann einmal zu fusionieren. Schöniger forderte, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und nicht noch zu verstärken.

In der anschließenden Fragerunde äußerte sich der ebenfalls als Sachkundiger eingeladene Prof. Dr. Hansjörg Huber von der Hochschule Zittau-Görlitz. Er unterstrich die Bedeutung der direkt gewählten Abgeordneten, die aufgrund der Nähe zum eigenen Wahlkreis und den Verhältnissen vor Ort eine besondere Verantwortung hätten. Der Schwerpunkt einer Reform solle daher weiterhin auf Wahlkreismandaten liegen und sie nicht zugunsten von Listenplätzen zahlenmäßig benachteiligen. Es sei kontraproduktiv, durch eine Reduzierung der Wahlkreise die städtischen Ballungsräume zu bevorzugen. Vom Beibehalten der Wahlkreise würde dagegen der ländliche Raum profitieren.

Vorschläge der ­Wahlkreiskommission

Variante 1:

Die minimalinvasive Variante orientiert sich stark am gegenwärtigen Bestand und versucht, nur in den gesetzlich zwingenden Fällen dem verfassungsrechtlichen Ideal nahezu gleichgroßer Wahlkreise näher zu kommen. Würde diese Variante umgesetzt, ginge dem Vogtlandkreis ein Wahlkreis verloren, während die Stadt Leipzig einen Wahlkreis zusätzlich erhielte.

Variante 2:

Diese Option gilt als weitergehender Vorschlag. Um sich der ursprünglich gedachten Größe eines Wahlkreises von 78 000 deutschen Einwohnern anzunähern, seien aus demografischen und verteilungsmathematischen Aspekten 51 Wahlkreise optimal. Da die Sächsische Verfassung eine Landtagsgröße von 120 Abgeordneten vorsehe, müssten dann ggf. mehr Kandidaten per Liste ins Parlament einziehen.

Variante 3:

Baut auf Variante 1 auf, geht aber darüber hinaus, um dem Modell einen längeren Bestand zu sichern. Demnach würde der Vogtlandkreis einen Wahlkreis verlieren, aber auch die Landkreise Bautzen und Mittelsachsen müssten einen Wahlkreis abgeben. Stattdessen erhielten die Stadt Leipzig zwei und die Landeshauptstadt Dresden einen Wahlkreis dazu.

Sachkundige

  • Prof. Dr. Bernd Grzeszick (per Video zugeschaltet), Professor an der Universität Heidelberg
  • Prof. Dr. jur. Hansjörg Huber, Hochschule Zittau-Görlitz
  • Dr. Kai-Friederike Oelbermann, Expertin für Mathematik von Wahlsystemen
  • Kerstin Schöniger, Sprecherin des Städteverbundes Göltzschtal, Stadt Rodewisch

Protokoll

Hier gelangen Sie zum Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung.

Autor: Dr. Daniel Thieme