Lagebilder des täglichen Lebens

Datum 25.11.2020

Marko Schiemann, Vorsitzender des Ausschusses für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung

Marko Schiemann, Vorsitzender des Ausschusses für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung

Anhörung im Ausschuss für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung

Ausschüsse tagten zu den Folgen der Corona-Pandemie in fast allen Lebensbereichen

Man könnte meinen, zur Corona-Pandemie ist schon alles gesagt worden: Homeoffice, Unternehmen in Not, reihenweise Absagen von Veranstaltungen und Maskenpflicht praktisch allerorten. Und doch treten beim genaueren Hinsehen Aspekte zutage, an die man vielleicht noch gar nicht gedacht hatte – und für die es jeweils politische Lösungen zu finden gilt.

Mit einer Reihe von Anträgen haben die Koalitionsfraktionen im Herbst begonnen, dem Parlament einen gezielten Überblick darüber zu verschaffen, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie und alle damit einhergehenden Beschränkungen auf das öffentliche Leben in Sachsen haben. Jeder Antrag zielte dabei auf je ein Ressort. Die Abgeordneten von sieben Ausschüssen luden vom 23. bis 27. November 2020 Vertreter aus verschiedenen Arbeitsbereichen ein und ließen sich von deren Erfahrungen berichten. Ein Hauptanliegen war es, herauszufinden, wie der Gesetzgeber bessere Hilfestellungen leisten kann und welche Wünsche es an die Corona-Schutz-Verordnung gibt. Zudem schaute man genau hin, wie es den Beschäftigten in verschiedenen Branchen geht und welche Probleme im neunten Monat der Pandemie gerade akut auftreten. So vielfältig wie die unterschiedlichen Lebensbereiche, so divers waren auch die geladenen Sachkundigen: Im Rechtsausschuss waren Vertreter aus Gerichten und Justizvollzugsanstalten ebenso geladen wie solche der Kirchen oder aus dem Bereich Verfassungsrecht. Im Innenausschuss sprachen die Abgeordneten mit Vertretern der Polizei, der Landesverwaltung und der Rettungsdienste, im Wirtschaftsausschuss mit jenen aus den Handelskammern und Arbeitsagenturen, der Schulausschuss lud Vertreter aus dem ganzen Bildungsspektrum ein. In den einzelnen Sitzungen standen besonders die lebenspraktischen Fragen im Mittelpunkt.

Corona bei Justitia

So wurde im Rechtsausschuss dargelegt, dass es in Gerichten häufig Probleme gebe, ausreichend große Sitzungssäle für Verhandlungen zu finden. Schwierig sei die Umsetzung der Maskenpflicht während Verhandlungen, in denen auch mal die Mimik der Zeugen eine Rolle spiele. Glaubwürdigkeit sei hinter einem halb bedeckten Gesicht eben nicht so gut einschätzbar. Aus den Justizvollzugsanstalten wurde ebenfalls berichtet. So sei zeitweise die Vollstreckung von Freiheitsstrafen aufgeschoben worden, um Belegungen zu reduzieren und damit die Insassen besser schützen zu können. Neue Häftlinge würden zu Beginn der Haft getestet und isoliert, bevor man sie in andere Räume einer Haftanstalt lasse. Die stärkste Belastung für die Gefangenen seien die Besuchsverbote. Mittlerweile habe man aber in vielen Gefängnissen die Möglichkeit zur Videotelefonie eingeführt.

Die Pandemie in der Fläche

Vertreter der kommunalen Ebene zogen im Innenausschuss insgesamt ein positives Fazit aus der engen Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen. Besonders gelobt wurde die enge Einbindung in den Krisenstab unter der Leitung des Innenministeriums. Damit sei es möglich gewesen, die Belegung von Krankenhausbetten und auch Laborkapazitäten gut zu koordinieren. Wegen der zusammengelegten Strukturen seit der Gebietsreform seien auch kleinere Kreise in der Lage gewesen, kurzfristig das Personal in den Gesundheitsämtern aufzustocken. Zugleich wurde auf die zu erwartenden Probleme in den kommunalen Haushalten der kommenden Jahre hingewiesen. Die Entwicklungen auf dem sächsischen Arbeitsmarkt waren ein Thema im Wirtschaftsausschuss. Ein Sachkundiger berichtete, dass »Corona-Arbeitslosigkeit« vor allem junge Menschen überproportional treffe. Das Instrument der Kurzarbeit wurde andererseits als äußerst wirksam bewertet – ohne sie wären in den letzten Monaten deutlich mehr Sachsen arbeitslos geworden. Zur Bewältigung der großen Nachfrage habe man die Zahl der Mitarbeiter von acht auf 800 aufgestockt. Die Zahl der Insolvenzen sei zum jetzigen Zeitpunkt unauffällig, für das Jahr 2021 rechne man aber mit einem spürbaren Anstieg. Im Bereich des Ausbildungsmarktes gab es trotz aller Widrigkeiten positive Nachrichten zu hören. Nur 20 Ausbildungsbewerber weniger konnten im Vergleich zum Vorjahr versorgt werden. Aus dem Bereich Verkehrsbetriebe wurden enorme Einbußen bei den Fahrgastzahlen gemeldet. Trotzdem sei das Verkehrsangebot weitgehend aufrechterhalten worden, im Sinne der Daseinsvorsorge und auch wegen des Schülerverkehrs. Bisher gebe es keine Studien, die zeigten, dass im Nahverkehr die Ansteckungsgefahr besonders groß sei. Laut Umfragen liege den Fahrgästen aber sehr daran, dass die Einhaltung der Maskenpflicht in Bussen und Bahnen kontrolliert werde.

Corona als Katalysator der Digitalisierung

Während der Anhörungen gab es vonseiten der Sachkundigen immer wieder Hinweise, welche pandemiebedingten Änderungen in der Zeit »nach Corona« doch gern beibehalten werden sollten. Am häufigsten nannten sie die ausgeweiteten Möglichkeiten des mobilen Arbeitens und flexibler Arbeitszeiten. In diesem Bereich sei auch der Freistaat als Arbeitgeber gefragt. Sie sprachen sich zudem dafür aus, die Zeugenvernehmung per Video in Gerichtsverhandlungen beizubehalten. Für Gefangene wiederum sei die Videotelefonie eine große Errungenschaft, besonders, wenn Angehörige weit entfernt lebten. Im ÖPNV sei der bargeldlose Verkauf von Fahrausweisen in einer Dimension angewachsen, die vorher so nicht vorstellbar gewesen sei.
Die Ausschüsse dürften sich auch in den folgenden Sitzungswochen wieder mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie beschäftigen. Öffentliche Teile werden wie üblich im Sitzungskalender unter www.landtag.sachsen.de mitgeteilt.

In seiner 16. Sitzung hat der Landtag die Staatsregierung beauftragt, ihn als Gesetzgeber stärker in Entscheidungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einzubinden (siehe Landtagskurier 8/2020). Dem Anliegen kam die Staatsregierung in der Ausschusswoche Ende November nun nach, zum Teil sogar in Sondersitzungen. So wurde am 10. Dezember 2020 eine Sondersitzung des für Gesundheit zuständigen Sozialausschusses, gemeinsam mit dem Rechtsausschuss und dem Schulausschuss, angesetzt. Grundlage der Beratungen war der zu diesem Zeitpunkt vorliegende Entwurf der ab 14. Dezember 2020 gültigen Corona-Schutz-Verordnung.