Mehr Mitsprache bei Bildungsreform angemahnt

Datum 11.04.2025

Sachkundige im Plenarsaal während einer Anhörung des Bildungsaausschusses

Anhörung im Ausschuss für Schule und Bildung

Maßnahmen der Staatsregierung zur Unterrichtsversorgung bleiben kontrovers

Bereits im März hatte der Sächsische Landtag über Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung in Sachsen debattiert. Auf Antrag der Fraktion BÜNDNISGRÜNE befasste sich der Ausschuss für Schule und Bildung nun erneut mit dem Thema. Es stand im Rahmen einer öffentlichen Anhörung am 11. April sowie in einer Ausschusssitzung am 9. Mai 2025 auf der Tagesordnung.

Mit ihrem Antrag machten die BÜNDNISGRÜNEN auf die Kritik von Lehrerinnen und Lehrern aufmerksam. Bei vielen erregt das Maßnahmenpaket der Staatsregierung für eine bessere Unterrichtsversorgung und weniger Stundenausfall Unmut. Die Fraktion sprach sich unter anderem dafür aus, die betroffenen Lehrer stärker an der Umsetzung der Vorschläge zu beteiligen. Die Unterrichtsversorgung solle zwar besser werden, jedoch ohne dass sich die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte oder die Unterrichtsqualität verschlechterten.

Das Lehrerarbeitsvermögen heben

Unter den zur Anhörung geladenen Sachkundigen begann zunächst Isolde Haag, Prüfungsabteilungsleiterin beim Sächsischen Rechnungshof. Sie zeigte auf, dass die Verbeamtung von Lehrkräften zwar die Attraktivität des Lehrerberufs in Sachsen gesteigert habe, die Unterrichtsversorgung aber nicht besser geworden sei. Trotz erheblichen Stellenaufwuchses habe sich das Lehrerarbeitsvermögen kaum gesteigert. Das Defizit in der Unterrichtsversorgung sei in den folgenden Jahren sogar größer geworden. Anrechnungs-, Ermäßigungs-, Freistellungs- und Minderungsstunden führten dazu, dass im geprüften Schuljahr 2021/2022 13 Prozent des Lehrerarbeitsvermögens (entspricht 3 650 Vollzeitstellen) nicht für Unterrichtszwecke genutzt worden seien. Der Rechnungshof schlage vor, dieses Vermögen zu heben, indem Lehrkräfte von unterrichtsfremden Aufgaben, wie Verwaltungstätigkeiten, entlastet würden (für die sie i.d.R. Anrechnungsstunden erhalten). Ferner seien rund 1 000 Lehrkräfte ins Ministerium oder nachgeordnete Behörden abgeordnet, die ebenfalls im Unterricht fehlten.

Ronald Lindecke, Vorsitzender des Landeselternrates Sachsen, und Dr. Jörg Oettler, Standortleiter Chemnitz im Landesamt für Schule und Bildung, wiesen beide auf den großen Druck sächsischer Eltern hin, endlich zu Verbesserungen zu kommen. Oettler sprach davon, dass er durch zahllose Elternbeschwerden den Unmut zu spüren bekomme. Er sei insgesamt für 70 000 Schüler und 7 000 Lehrkräfte verantwortlich. Das Problem der prekären Versorgungslage über Neueinstellungen lösen zu wollen, sei seiner Meinung nach aber illusorisch. Stattdessen müsse man auch durchaus umstrittene Maßnahmen treffen, indem Arbeitskräftevermögen anders verteilt werde.

Die sächsischen Lehrkräfte nicht außen vor lassen

Michael Jung, Vorsitzender des Sächsischen Lehrerverbands, bemängelte insbesondere die ausgefallene Beteiligung der Lehrkräfte bei der Erarbeitung des Maßnahmenpakets. Schließlich seien sie es, die die Vorschläge umsetzen müssten. Statt Dialog habe das Kultusministerium auf Aktionismus gesetzt. Die Maßnahmen seien erstellt worden, bevor die Ergebnisse der Arbeitszeitstudie überhaupt vorgelegen hätten. Den Vorschlag, die Stundenentlastungen älterer Lehrkräfte zu streichen, kritisierte er scharf. Christina Strom, Lehrerin und Hauptausbildungsleiterin in der Lehrerausbildung Leipzig, fügte an, dass aus ihrer Sicht mit dem vorgelegten Maßnahmenpaket lediglich Ressourcen von einer Seite zur anderen Seite verschoben würden. In ihrem eigenen Fall müsste sie beispielsweise zwei bis vier Stunden abgeben, die ihr dann für die individuelle Begleitung von Lehrkräften in der Ausbildung nicht mehr zur Verfügung stehen würden. Burkhard Naumann, Vorsitzender der GEW Sachsen, begrüßte den Antrag. Er hob hervor, dass bei jeglichen Maßnahmen der Blick auf die Arbeitsbelastung der sächsischen Lehrkräfte entscheidend sei. Er machte darauf aufmerksam, dass Eingriffe in die Arbeitszeitregelungen bereits im kommenden Schuljahr umgesetzt werden sollten. Für die aufgeführten Entlastungen lägen hingegen keine Zeitpläne vor. Nach einem längeren Austausch zwischen den Ausschussmitgliedern und den Sachkundigen wurde die Drucksache am Ende zunächst vertagt. Am 9. Mai 2025 stand sie dann zur abschließenden Beratung wieder auf der Tagesordnung. Der Antrag fand nach Auswertung aller Stellungnahmen keine Mehrheit im Bildungsausschuss.

Sachkundige

  • Isolde Haag, Prüfungsabteilungsleiterin, Sächsischer Rechnungshof
  • Michael Jung, Vorsitzender des SLV, Sächsicher Lehrerverband im VBE
  • Ronald Lindecke, Vorsitzender des LandesElternRates Sachsen
  • Burkhard Naumann, Vorsitzender GEW Sachsen
  • Uwe-Jens Neubert, Oberschulrektor im Ruhestand
  • Dr. Jörg Oettler, Standortleiter, Landesamt für Schule und Bildung, Standort Chemnitz
  • Jens Rieth, stellvertretender Vorsitzender Philologenverband Sachsen
  • Manuela Rühle, Vorsitzende des VLBS e.V., Verein der Leiter und Leiterinnen Beruflicher Schulen
  • Christina Strom, Lehrerin und Hauptausbildungsleiterin, Fritz-Gietzelt-Schule, Förderschule Lernen, Lehrerausbildung Leipzig

Protokoll/Anhörungsvideo

Hier gelangen Sie zum Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung bzw. zum Video.

Autorin: Janina Wackernagel