Pandemie auf dem Prüfstand

Datum 06.03.2025

Blick von der Besuchertribüne in den Plenarsaal während einer Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses des 8. Sächsischen Landtags

Anhörung im 1. Untersuchungsausschuss

Politische Aufarbeitung der Coronapandemie

Detailansicht öffnen: Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses während einer Ausschusssitzung
Die Abläufe in einem Untersuchungsausschuss ähneln denen eines Gerichtsverfahrens. Er arbeitet auf Grundlage der Strafprozessordnung.
Detailansicht öffnen: Andreas Nowak, Vorsitzender des 1. Untersuchungsausschusses der 8. Wahlperiode
Andreas Nowak leitet als Vorsitzender die Sitzungen des 1. Untersuchungsausschusses der 8. Wahlperiode.

Zu Beginn der neuen Wahlperiode des Sächsischen Landtags gab es von mehreren Fraktionen das Ansinnen, die Coronapandemie politisch aufzuarbeiten. Am 6. März 2025 hatte der "Corona-Untersuchungsausschuss" nun erstmals Sachkundige geladen.

In diesem Frühjahr jährt sich der Beginn der Coronapandemie zum fünften Mal. Am 2. März 2020 trat der erste Fall von COVID-19 in Sachsen auf. In der Folge ergriff die Sächsische Staatsregierung zahlreiche Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Dazu gehörten die Absage von Großveranstaltungen, Schulschließungen, Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, eine Maskenpflicht beim Einkaufen und anderes mehr. Bis weit ins Jahr 2022 beeinträchtigte die Coronapandemie den Alltag der Menschen in erheblichem Maß. Die AfD-Fraktion entschied sich bereits am Anfang der 8. Wahlperiode einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Den 1. Untersuchungsausschuss beschloss der Landtag am 25. Oktober 2024 unter dem Titel "Untersuchung der Krisenpolitik der Staatsregierung im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 und COVID-19". Zum Vorsitzenden des Ausschusses wurde Andreas Nowak (CDU) gewählt.

Neben dem Untersuchungsausschuss beschäftigt sich auch eine Enquete-Kommission mit der Coronapandemie. Der Sächsische Landtag setzte sie am 19. Dezember 2024 ein. Während im Untersuchungsausschuss die Aufarbeitung im Mittelpunkt steht, sucht die Enquete-Kommission eher nach Empfehlungen für zukünftiges Handeln.

Wie arbeitet ein Untersuchungsausschuss?

Nach Artikel 54 der Sächsischen Verfassung hat der Landtag auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Sein Zweck ist es, vermutete staatliche Missstände aufzudecken. Das Parlament erhält damit die Möglichkeit, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten zur Verfügung stehen, Sachverhalte zu prüfen, die es für aufklärungswürdig hält. Die Abläufe in einem Untersuchungsausschuss ähneln denen eines Gerichtsverfahrens.

Er arbeitet auf Grundlage der Strafprozessordnung und ist umfassend mit Zwangsmitteln ausgestattet. Er darf Zeugen unter Eid vernehmen, kann auch Unterlagen beschlagnahmen lassen und Einsicht in Akten von anderen Stellen wie Ministerien oder Behörden nehmen. Die Sitzungen finden teilweise öffentlich statt. Abgeschlossen wird ein Untersuchungsausschuss mit einem Bericht. Ein "juristisches Nachspiel" hat er nicht automatisch, denn seine Ergebnisse unterliegen nicht der gerichtlichen Nachprüfung. Die Konsequenzen aus einem Untersuchungsausschuss sind meist politischer Art.

Einsichtnahme in Akten der Staatsregierung

Die erste Sitzung des Corona-Untersuchungsausschusses fand am 16. Januar 2025 statt. Darin einigten sich die Mitglieder zunächst auf eine Vorgehensweise zur konkreten Umsetzung des Untersuchungsauftrages. Dieser sieht u. a. vor, zu klären, welche Erkenntnisse zur Wirksamkeit bestimmter Maßnahmen in der Coronapandemie vorlagen und welche Anstrengungen die Sächsische Staatsregierung unternahm, um diese zu prüfen. Für seine Arbeit kann der Untersuchungsausschuss mittels Beweisanträgen die Staatsregierung auffordern, bestimmte Akten vorzulegen. Die Fülle der Aktenbestände gestaltet sich im Falle der Coronapandemie äußerst umfangreich, da das Themenfeld enorm weit gefächert ist und sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Erkenntnisse zum Untersuchungsgegenstand erhofft sich der Ausschuss außerdem von Sachverständigen und Zeugen aus verschiedenen Fachgebieten.

Ladung von Wissenschaftlern und Verantwortungsträgern

Detailansicht öffnen: Porträt von Prof. Dr. Klaus Stöhr
Virologe Prof. Dr. Klaus Stöhr
Detailansicht öffnen: Porträt von Prof. Dr. Hendrik Streeck, Virologe, im Plenarsaal
Virologe Prof. Dr. Hendrik Streeck, Universität Bonn

Am 6. März 2025 waren die Virologen Prof. Dr. Klaus Stöhr und Prof. Dr. Hendrik Streeck in den Sächsischen Landtag geladen und um ihre Einschätzungen gebeten worden. Beide Experten stellten sich nach ihren Eingangsstatements den Fragen der Abgeordneten und standen dafür jeweils drei Stunden Rede und Antwort.

Nach Einschätzung von Prof. Dr. Streeck von der Universität Bonn sollte man aus der Coronapandemie für künftige Krisen lernen, in denen wissenschaftliche Expertise gefragt und zugleich schnelles politisches Handeln erforderlich sei. In der Aufarbeitung warnte er nachdrücklich davor, vereinzelte Wissenschaftsmeinungen zu verallgemeinern. Angesichts des Pluralismus in der Wissenschaft könne für jede politische Frage eine passende Meinung aufgetan werden. Dahinter dürfe sich die Politik nicht verstecken, vielmehr sei die Professionalisierung von wissenschaftlichen Beratungsgremien zu empfehlen.

Prof. Dr. Klaus Stöhr bestätigte zunächst die grundlegende Feststellung, dass es sich bei SARS-CoV-2 und COVID-19 um eine Pandemie gehandelt habe, für deren Eindämmung Kontaktunterbrechungen bzw. -beschränkungen unabdingbar gewesen seien. Die Impfstoffe – speziell die mRNA-Impfstoffe – hätten schwere Infektionsverläufe verhindert und die Zahl der Todesfälle gesenkt. Bei der Pandemiebekämpfung habe es aber in Deutschland und anderswo an guten Strategien gehapert. Es habe keinen Prozess der strukturierten Wissensbeschaffung und Risikobewertung gegeben, um politische Entscheidungen zu treffen. Maßnahmen wie Lockdowns seien mehr oder weniger Hals über Kopf entschieden worden. Letzteres sei in Krisensituationen, wenn politisches Handeln aufgrund einer unvollständigen Datenbasis erfolge, durchaus verständlich. Dies müsse dann aber von einem evaluierenden Forschungskonzept begleitet werden.

Damit war der Ton gesetzt für den Auftakt der Ausschussarbeit. Neben weiteren Wissenschaftlern wird der 1. Uuntersuchungsausschuss voraussichtlich auch Mitglieder der Staatsregierung als Zeugen laden. In seiner Sitzung am 14. April 2025 setzte der Untersuchungsausschuss zunächst die Befragung von Virologen fort. Geladen waren Prof. Dr. Detlev Krüger sowie Prof. Dr. Alexander S. Kekulé.

Autorin: Janina Wackernagel