Ein Großvorhaben aus dem Koalitionsvertrag kommt in die Umsetzung: Der Sächsische Landtag beschäftigt sich derzeit mit der Novellierung des Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Am 26. Juni 2023 fand eine Sachkundigenanhörung im federführenden Ausschuss für Inneres und Sport statt.
Das Vierte Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz (SächsBRKG) wurde als Gesetzentwurf der Staatsregierung Ende April 2023 in den Sächsischen Landtag eingebracht. Dessen sehr breit gefächertes Themenspektrum schlägt sich auch in einem komplexen Gesetzestext nieder: Auf 180 Seiten werden die Regelungen und Neuvorhaben dargestellt.
Dementsprechend war auch die Anhörung im Innenausschuss eine der umfangreichsten dieser Legislatur. Insgesamt 13 geladene Sachkundige standen den Abgeordneten gut viereinhalb Stunden mit ihrer Expertise zur
Verfügung.
Dabei wurden einige Themenbereiche besonders intensiv besprochen:
Hilfs und Rettungskräfte helfen im Notfall oder Katastrophenfall gleichermaßen mit ihrer jeweiligen Expertise, im besten Fall ziehen alle an einem Strang. Die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit unterscheiden sich jedoch – zum Beispiel danach, ob jemand ehrenamtlich oder hauptberuflich im Einsatz ist, wie Ausbildungen organisiert sind, welche Kompetenzen man hat oder welche technische Ausrüstung zur Verfügung steht.
Mit der Gesetzesnovelle soll ehrenamtliche Arbeit breiter gefördert werden. Zukünftig können auch Ehrenamtler der Bergwacht und der Wasserrettung für Einsätze von ihrer regulären Arbeit freigestellt werden und Lohnersatzleistungen erhalten. In der Anhörung forderten jedoch neben Markus Kremser vom DRK-Kreisverband Görlitz auch andere Sachkundige, den Gesetzentwurf diesbezüglich noch einmal nachzuschärfen.
Ausbildungszeiten von Ehrenamtlichen müssten bislang oft in deren Freizeit stattfinden. Ferner seien zum Beispiel die Einsätze von Helferinnen und Helfern aus dem Bereich Psychosoziale Notfallversorgung (die sogenannte Seelsorge) noch nicht klar genug von der Regelung umfasst. Daneben wünschten sich die Landesverbände der Hilfsorganisationen bessere Mitwirkungsmöglichkeiten im Katastrophenschutz. Es wäre zum Beispiel sehr hilfreich für sie, in die Funkanbindung des BOS-Digitalfunks angeschlossen zu werden und ihren Einsatzfahrzeugen Fahrten mit Blaulicht zu erlauben, so Innocent Töpper vom DRK-Landesverband Sachsen.
Um Waldbränden vorzubeugen, regelt das SächsBRKG für die sächsischen Wälder regelmäßige Brandverhütungsschauen. Die Zuständigkeit liegt bei den Gemeinden. Sachkundige aus den sächsischen Feuerwehren wiesen darauf hin, dass Wälder in der Regel über Gemeindegrenzen hinaus wachsen. Nach derzeitiger Regelung müssten die örtlichen Feuerwehren die Kontrolle am letzten Baum der Gemeindegrenze den Kameraden aus der Nachbargemeinde überlassen.
Entsprechend regte Gunnar Ullmann, Vizepräsident des Landesfeuerwehrverbandes Sachsen, an, die Planung der Brandverhütungsschauen auf Landkreisebene zu übertragen, damit auch die Forstbehörden, die Waldbesitzer und gegebenenfalls die Tourismusbehörden besser eingebunden werden könnten. Auch weil stets Kompromisse zwischen Waldbewirtschaftung, Naturschutz und Brandschutz gefunden werden müssten, sei eine gleichbleibende Qualität der Prüfungen über Gemeindegrenzen hinweg sinnvoll. Bei Waldbränden sei es für jede Feuerwehr wichtig,ausreichend große und befahrbare Brandschutzschneisen vorzufinden, aus denen heraus gelöscht werden kann.
In Sachsen dauert im Notfall das Eintreffen des Rettungsdienstes am Notfallort zehn bis zwölf Minuten. Albrecht Scheuermann, Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin/ASB-Landesverband Sachsen, stellte eindrücklich dar, dass in dieser Zeit bei Patienten mit Atem und Kreislaufstillstand bereits erste irreversible Schäden entstehen können. Eine qualifizierte Erste Hilfe kann im Notfall dieses Intervall verkürzen. Mit einer Rechtsgrundlage für Erste-Hilfe-Systeme soll das SächsBRKG nun neue Ansätze ermöglichen.
Vorstellbar sind Alarmierungen über Smartphones von ausgebildeten Ersthelfern, die sich zufällig in der Nähe von Notfallorten befinden. In der Anhörung wurde diese Neuerung gelobt, aber auch darauf hingewiesen, dass solche Technik Kosten verursache, geschätzt 10.000 bis 20.000 Euro pro Leitstellenbereich. Bislang sei nicht klar, wer diese Kosten übernimmt. Ferner sei dieses System auf ein funktionieren des Netzwerk an Defibrillator-Standorten angewiesen. In jeder Kommune müssten Geräte mit dem notwendigen Zubehör schnell verfügbar sein.
Daneben gab es auch zu anderen Themenbereichen zahlreicheNachfragen seitens der Abgeordneten – wie zum Tele-Notarzt, zur Digitalisierung im Bevölkerungsschutz und zum konkreten Umgang von Kommunen mit Großschadenslagen.
In den kommenden Wochen werden sich der Innenausschuss und der mitberatende Haushalts- und Finanzausschuss mit den Anregungen der Sachkundigen auseinandersetzen. Voraussichtlich zum Ende des Jahres werden die Ausschüsse dann die Änderungsanträge der Fraktionen beraten.
Hier gelangen Sie zum Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung bzw. zum Video.
Autorin: Janina Wackernagel