Frischer Wind im Baurecht

Datum 11.03.2022

Luftbild: Montage eines Windrades, Blick von oben

Anhörung im Ausschuss für Regionalentwicklung

Ein Vorhaben der sächsischen Regierungskoalition ist es, die Sächsische Bauordnung umfassend zu novellieren. Im Januar 2022 ist im Sächsischen Landtag der Gesetzentwurf "Viertes Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung" eingegangen. Damit soll – insbesondere im Zeichen der Energiewende – ein sicheres, kostengünstiges und zukunftsfähiges Bauen im Freistaat Sachsen befördert werden.

Der Gesetzgebungsprozess um die Reform der Sächsischen Bauordnung greift einige öffentlich stark beachtete Themen auf. Dazu zählen die Mindestabstandsregelung für Windkraftanlagen, Erleichterungen im Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur (5G) sowie Unterstützungsmaßnahmen in Bauvorhaben im Sinne der Energiewende. Entsprechend groß war das Interesse an der öffentlichen Anhörung des Gesetzentwurfs im Ausschuss für Regionalentwicklung am 11. März 2022. Der Ausschuss hatte insgesamt 15 Sachkundige geladen, die in insgesamt vier Stunden ihre Expertise zu den verschiedenen Themenbereichen beisteuern konnten.

Mindestabstand bleibt umstritten

Der Gesetzentwurf der Sächsischen Staatsregierung sieht vor, dass Windkraftanlagen nur im Abstand von 1 000 Metern zur nächsten Wohnbebauung errichtet werden dürfen. Dr. Florian Gräßler, Geschäftsführer der  Landesgruppe Sachsen im Verband kommunaler Unternehmen, meinte, dass dieser Mindestabstand für die öffentliche Akzeptanz und damit auch die Rechtssicherheit für Investitionen förderlich sei. Überdies könne es auch Ausnahmeregelungen geben, beispielsweise für das Repowering älterer Windkraftanlagen.

Der Sachkundige Dr. Stefan Sellschopp betonte seinerseits die Akzeptanzprobleme von Windkraftanlagen in der Bevölkerung und hob insbesondere die störende Optik und niederfrequente Schallwellen hervor. Wohnsiedlungen an Stadträndern würden durch Windenergieanlagen an Wohnqualität und Wert verlieren.

Dr. Wolfgang Daniels, Präsident der Vereinigung zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien Sachsen, hielt dem entgegen, dass die geplante Regelung das Flächenpotenzial für die Windkraftnutzung im Freistaat deutlich einschränke. Das Energie- und Klimaprogramm der Staatsregierung sei damit kaum erreichbar.

Yvonne Sommerfeld, Referentin des Sächsischen Landkreistages, stimmte dem von der Koalition vorgestellten Kompromiss zu. Sie meinte, auch wenn damit die potenzielle Fläche für den Bau von Windkraftanlagen verringert werde, ergebe sich letztlich dennoch ein erkennbarer Ausbau, wenn die übrigbleibenden Flächen weniger streitbewehrt seien.

"Kleine Bauvorlage" gefordert

Für die sächsischen Handwerkskammern bietet die Novelle der Bauordnung die Gelegenheit, eine weitere Neuerung im Baurecht einzufordern: Sie werben für die Einführung einer "Kleinen Bauvorlage". Das Recht, Bauvorlagen einzureichen, würde damit auch anderen, handwerklichen Berufsgruppen eingeräumt werden, anstatt wie bisher nur Architekten und Ingenieuren nach einem zweijährigen Berufspraktikum.

In der Anhörung sprachen sich sowohl Architekten- als auch Ingenieurskammer dagegen aus. Abgesehen von deren höherer Qualifikation warnten sie vor Interessenkonflikten für den Fall, dass sowohl Planung als auch die Ausführung von Bauvorhaben in einer Hand lägen. In den kommenden Wochen werden alle Eingaben der Sachkundigen ausgewertet und gegebenenfalls in den Gesetzentwurf eingearbeitet.

Sachkundige

  • Ralph Beckert,  Landesgeschäftsführer Sozialverband VdK Sachsen e. V., Vorsitzender Sächsischer Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderungen,
  • Dr. Wolfgang Daniels, Präsident VEE Sachsen e. V., Vereinigung zur Förderung der Nutzung  Erneuerbarer Energien,
  • Dr. Florian Gräßler, Geschäftsführer VKU Landesgruppe Sachsen
  • Stefan Kraus, Vorsitzender der ARGEBAU Fachkommission Bauaufsicht, Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr,
  • Sebastian Kropop, Leiter der Verbandsgeschäftsstelle, Planungsverband Region Chemnitz,
  • Volker Lux, Dipl.-Verwaltungswirt (FH), Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer zu Leipzig, Arbeitsgemeinschaft der sächsischen Handwerkskammern,
  • Dr. Christoph Möllers, Prokurist Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH,
  • Marie-Luise Plappert, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Umweltbundesamt,
  • Dr. Gerd Rojahn,
  • Dr. Stefan Sellschopp, Geschäftsführer Sellschopp Unternehmensgruppe,
  • Yvonne Sommerfeld, Referentin Sächsischer Landkreistag,
  • Dr.-Ing. Hans-Jörg Temann, Präsident Ingenieurkammer Sachsen,
  • Maximilian Vörtler, Referent Sächsischer Städte- und Gemeindetag e. V.,
  • Dipl.-Ing. Andreas Wohlfarth, Präsident Architektenkammer Sachsen, Freier Architekt

Hier gelangen Sie zum Wortprotokoll der Anhörung.