Mit Susanne Schaper steht seit Januar 2020 eine erfahrene Sozialpolitikerin an der Spitze des Ausschusses für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt im Sächsischen Landtag. Als examinierte Krankenschwester mit fast 20 Jahren Berufspraxis und langjährig engagierte Kommunal- und Landespolitikerin bei den LINKEN in Sachsen verfügt die Chemnitzerin über einen breiten Erfahrungsschatz. Wir haben Susanne Schaper bei ihrer Arbeit begleitet und sind der Frage nachgegangen, wie die Corona-Pandemie die Tätigkeit von Abgeordneten verändert.
Es ist ein trüber Januartag, als wir uns in Chemnitz treffen. Ausnahmsweise erledigt Susanne Schaper einige der heute anstehenden Termine in ihrem Bürgerbüro. Auf Vor-Ort-Termine im Wahlkreis verzichtet die Abgeordnete aus Gründen des Infektionsschutzes seit Wochen. Stattdessen sind die Tage geprägt von zahlreichen Telefon- und Videokonferenzen, die die dreifache Mutter überwiegend von zu Hause managt.
Begleitet von zwei ihrer vier Hunde trifft Schaper, die u. a. auch tierschutzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist, im Büro ein. Sie ist spät dran. Die digitale Besprechung des Arbeitskreises „Soziales“ hat länger gedauert als geplant. Dort bereitete Schaper mit ihren Fraktionskolleginnen und -kollegen am heimischen Schreibtisch die nächste Ausschusssitzung vor, die in wenigen Tagen stattfindet und in der u. a. der Gesetzentwurf zum sächsischen Landeshaushalt 2021/2022 auf der Tagesordnung steht.
Während ihr Wahlkreismitarbeiter noch schnell die Technik checkt und das WLAN-Passwort sucht, legt Susanne Schaper ihre Unterlagen bereit und nimmt vor dem Bildschirm Platz – stets aufmerksam beobachtet von ihren tierischen Gefährten. Auf der Agenda steht ein Gespräch via Skype mit Klaus-Peter Hansen, Chef der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit. „Mich interessieren die sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt“, erläutert Schaper. Eine Stunde Zeit ist dafür in ihrem prallgefüllten Terminkalender reserviert.
Detailliert und ausführlich legt Hansen die aktuellen Arbeitsmarktzahlen für Sachsen dar und weist auf mittelfristige Konsequenzen der Krisenbewältigung hin. Da ein Großteil seiner Angestellten aktuell Kurzarbeitergeld auszahle (900 Beschäftigte statt normalerweise 35), müssten andere Aufgaben eingeschränkt werden, z. B. die Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen. Oder die Berufsorientierung, die dennoch in den zurückliegenden Wochen auf digitale Angebote umgestellt worden sei. „Man kann die Mitarbeiter nicht klonen.“, bringt Hansen das Dilemma auf den Punkt. Als Sozialpolitikerin weiß Schaper um die Probleme, die dies nach sich ziehen wird.
Dann geht sie noch eine Bürgeranfrage an. Ob es wahr sei, dass die Zahl entlassener Pflegehelfer aufgrund der erhöhten Todesfälle in Alten- und Pflegeheimen gestiegen sei, zitiert Schaper aus dem Schreiben eines Bürgers. Das verneint Hansen umgehend. „Dann ist das also Hafer“, fasst Schaper die Antwort zusammen. „Nico, du kannst dem Bürger schreiben, das ist Hafer“, ruft sie ihrem Wahlkreismitarbeiter zu. Er wird sich darum kümmern und die deutlichen Worte, die Schapers Markenzeichen sind, in gefällige Zeilen gießen.
In Kürze soll Hansen seine Analysen vor dem Sozialausschuss im Landtag darlegen. „Ich möchte, dass die Abgeordneten Expertise aus erster Hand bekommen“, erklärt Susanne Schaper ihren Anspruch. Auch Vertreter von Ärztekammer oder Suchtberatung seien auf ihre Initiative schon in dem Gremium zu Gast gewesen. Bevor sie den Arbeitsmarktexperten offiziell einladen kann, braucht es allerdings noch einen entsprechenden Beschluss des Ausschusses.
„Die Grenze zwischen beruflichem und privatem Bereich verschwimmt noch mehr als sonst“, beschreibt Schaper die Abgeordnetentätigkeit unter Pandemie-Bedingungen. Doch obwohl man Fahrzeiten einspare, was sehr gut für die Ökobilanz sei, bliebe angesichts der Vielzahl der Videoberatungen nicht mehr Freiraum, da im Gegenzug die Zahl der Gespräche gestiegen sei. „Vieles kann man digital erledigen, wobei mir zugutekommt, dass ich auf bestehende persönliche Kontakte zurückgreifen kann. Außerdem erleichterte mir meine Berufserfahrung von Beginn an den Zugang zu Fachverbänden und deren Anerkennung.“ Neue Kontakte rein digital zu knüpfen, sei ungleich schwieriger, schätzt die Abgeordnete ein.
Neben Terminen als Landtagsabgeordnete (Plenum, Fraktion, Ausschuss, Wahlkreis) kommen bei der Politikerin noch weitere Verpflichtungen hinzu. Schließlich ist sie seit 2014 Fraktionsvorsitzende im Chemnitzer Stadtrat, seit 2019 zudem Landesvorsitzende der LINKEN im Freistaat. Mehrere Jahre studierte sie berufsbegleitend Pflegemanagement. „Alles eine Frage der Organisation“, lacht Schaper, angesprochen auf ihr Arbeitspensum. Nur eins habe sie lernen müssen: „Ich vereinbare keine Termine mehr selbst, sondern überlasse das meinen Mitarbeitern, die den Kalender genau im Blick haben.“
Dann ist es Zeit für die nächste Videokonferenz. Auf dem Bildschirm erscheinen die Gesichter der Aufsichtsratsmitglieder der Chemnitzer Wirtschaftsförderungsgesellschaft CWE. Die Gesellschaft ist zuständig für die Imagewerbung der Stadt und zeichnet ganz aktuell für die Kommunikation rund um Chemnitz als Kulturhauptstadt verantwortlich. Vieles gibt es also zu bereden, für die gebürtige Chemnitzerin natürlich eine Herzensangelegenheit.
Wiedersehen ein paar Tage später, heute in Dresden. Der Ausschuss für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt tagt im Plenarsaal. Auf der Tagesordnung stehen eine öffentliche Anhörung zu den „Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Sexarbeiter*innen“, anschließend eine nicht öffentliche Sitzung, u. a. mit Beratung zum Doppelhaushalt. Normalerweise tagen die Ausschüsse einmal pro Monat. Nicht so in diesen Zeiten. In den vergangenen Wochen kamen die Abgeordneten zu mehreren Sondersitzungen, teilweise auch gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen weiterer Ausschüsse, zusammen, in denen die Staatsregierung ihre Corona-Maßnahmen vorstellte und diskutierte.
„Ich finde es sehr gut, dass zumindest auf dieser Ebene das Parlament und seine Abgeordneten, insbesondere in der Opposition, an den Entscheidungen der Staatsregierung beteiligt werden“, so Schaper, deren Fraktion eine stärkere Parlamentsbeteiligung auch öffentlich immer wieder fordert. „Wir können doch voneinander profitieren.“ So habe beispielsweise durch Hinweise im Ausschuss erreicht werden können, dass Bestatter auf die Liste der systemrelevanten Berufe gesetzt wurden, Voraussetzung für den Anspruch auf Notbetreuung von Kindern in Kitas oder Grundschulen. „Das ist doch ein kleiner Erfolg“, freut sich die Abgeordnete.
Autorin: Katja Ciesluk