„Endlich ein richtiger Beruf“, befindet der kleine Prinz, als er auf seiner Reise durch den Weltraum auf einen Geografen trifft. Mit einem Augenzwinkern zitiert Oliver Fritzsche aus dem Weltbestseller von Antoine de Saint-Exupéry. Denn Fritzsche ist Diplom-Geograf, Schwerpunkt Stadt- und Raumentwicklung. 2009 machte er die Politik zu seinem Beruf und sitzt seither als CDU-Direktkandidat für den Wahlkreis Leipziger Land 2 im Sächsischen Landtag.
Wir treffen den Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien vor dem Universitätsarchiv in Leipzig. Oliver Fritzsche ist mit der Bahn aus dem nahegelegenen Markkleeberg – seiner Heimatstadt – angereist. Reichlich eine Stunde nimmt sich der Abgeordnete Zeit, um mit Dr. Jens Blecher, Direktor des größten Universitätsarchivs in Sachsen, Stand und Herausforderungen der Digitalisierung von Archivgütern zu erörtern. Blecher ist großer Befürworter des technologischen Fortschritts. Nicht ohne Stolz verweist er auf die Vorreiterrolle seines Hauses bei der Digitalisierung trotz „wenig Geld und wenig IT-Personal“. Fritzsche ist es wichtig, dieses Know-how an Kommunalarchive weiterzugeben. Auch hier sei man bereits aktiv und habe zu diesem Zweck das mitteldeutsche Archivnetzwerk ins Leben gerufen, pflichtet Blecher dem Ansinnen des Politikers bei. Vor allem aber müsse man den Menschen die Angst vor dem Umgang mit neuen Technologien nehmen.
Weiter geht es zur Universität Leipzig, für Fritzsche vertrautes Terrain. Hier hat er studiert und später am Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft geforscht. In der Mensa erwartet Dr. Andrea Diekhof, Geschäftsführerin des Studentenwerkes Leipzig, den Abgeordneten. Das Studentenwerk stellt die soziale Infrastruktur für knapp 35.000 Studierende an neun Hochschulen in der Messestadt. Dazu zählen u. a. der Betrieb von zahlreichen Mensen, Wohnheimplätzen sowie vielfältige Beratungsleistungen. „Soziale Mietpreise in den Studentenwohnheimen können wir nur halten, wenn der Freistaat Investitionen für Sanierungen und Neubauten bezuschusst“, platziert Diekhof eine ihrer zentralen Forderungen. Fritzsche kennt die Materie, bereits mehrfach gab es dazu während der Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2019/2020 Gespräche. Als der Landtag wenige Tage später den Haushalt beschließt, kann der Abgeordnete einen Erfolg verkünden: „Wir haben den vier sächsischen Studentenwerken für das studentische Wohnen zusätzlich zwei Millionen Euro im Jahr 2020 zur Verfügung gestellt. Ein erster Schritt ist getan.“
Die Uhr gilt es während der Begegnungen im Blick zu behalten, um rechtzeitig nach Dresden aufzubrechen. Am frühen Nachmittag steht die Fraktionssitzung auf dem Plan - ein Pflichttermin für die Abgeordneten.
Auf der Fahrt in die Landeshauptstadt bleibt Zeit für ein Gespräch mit dem Abgeordneten. Als politisch interessierter Mensch habe er nicht lange überlegt, als ihm 2004 die Kandidatur für den Stadtrat in Markkleeberg angetragen wurde. Wenig später trat Oliver Fritzsche in die CDU ein. Seit 2009 sitzt er im Landesparlament, wo seine Expertise und seine internationalen Erfahrungen bei der damals anstehenden Fortschreibung des Landesentwicklungsplanes sofort sehr willkommen waren. So unterstützte Fritzsche in Shanghai bereits die Masterplanung für die Expo 2010 und befasste sich in Budapest mit ökonomischen Transformations- und Restrukturierungsprozessen. Letzteres ist Grundlage für seine bis heute andauernde besondere Beziehung zu Ungarn.
Oliver Fritzsche agiert ruhig und überlegt. Der schnelle Gang an die Öffentlichkeit
ist nicht seine Sache. „Ich nehme mir Zeit, um Dinge gründlich zu durchdenken“, erzählt Fritzsche. „Man muss nicht auf alles sofort reagieren. Eine Antwort sollte Hand und Fuß haben.“
Streng formal ist die Sitzung der 59-köpfigen Fraktion organisiert. Auf der Agenda stehen viele organisatorische Dinge. Termine müssen koordiniert, Informationen ausgetauscht, Veranstaltungen besprochen werden. Abgeordnete nutzen die Gelegenheit, ihre Kolleginnen und Kollegen auf wichtige Themen aus ihren Wahlkreisen hinzuweisen, die von überregionaler Bedeutung sind. Und dann geht es natürlich darum, Politik zu diskutieren, denn in den Fraktionen vollzieht sich maßgeblich die politische Willensbildung im Parlament.
Oliver Fritzsche muss die Fraktionssitzung heute eher verlassen. Der nächste Termin wartet. Das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung tagt. Oliver Fritzsche ist dessen Vorsitzender. Gemeinsam mit zehn weiteren Abgeordneten und zehn Sachverständigen achtet er darauf, dass die Landeszentrale in ihrer politischen Bildungsarbeit die Überparteilichkeit wahrt. Dafür berichtet die Landeszentrale dem Kuratorium zwei Mal im Jahr über ihre Tätigkeit und stellt neue Projekte vor.
Mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 bekommt die Institution zusätzliche Stellen. „Damit stärken wir die politische Bildung im Freistaat“, erklärt Fritzsche. „Zugleich steigen natürlich auch die Erwartungen“, gibt er dem Direktor Dr. Roland Löffler mit auf den Weg. Der nutzt das Podium, um ein ebenso aktuelles wie anspruchsvolles Projekt vorzustellen. Im Vorfeld der Landtagswahl 2019 möchte die Landeszentrale Kandidatenforen in vielen, idealerweise in allen 60 Wahlkreisen anbieten. Dr. Löffler sieht es als große logistische und personelle Herausforderung. Die Idee stößt beim Kuratorium auf Wohlwollen und Unterstützung. „Damit befördert die Landeszentrale den öffentlichen politischen Diskurs und gibt den Bürgerinnen und Bürgern eine gute und neutrale Möglichkeit, um sich über die unterschiedlichen Kandidaten zu informieren“, so Fritzsche.
Am 1. September 2019 wählen die Sachsen ein neues Landesparlament.
Autorin: Katja Ciesluk