Ines Springer empfängt uns bestens gelaunt, mit einem strahlenden Lächeln am frühen Morgen in ihrem Wahlkreisbüro in Glauchau. Wir schreiben den 9. März. Noch ist das Land im Normalzustand. Wir haben Ines Springer, die seit über zehn Jahren für die CDU als Direktkandidatin im Parlament und seit 1999 im Stadtrat sitzt, einen Tag lang bei ihrer Arbeit begleitet.
Das Coronavirus schlägt schon Wellen. Was wenige Tage später über das Land hereinbrechen sollte, ist uns aber noch nicht im Entferntesten bewusst. Ines Springer begrüßt mich mit einem festen Händedruck. Desinfektionsmittel in der Mittelkonsole ihres Autos sind da noch das einzige, was an diesem Tag auf Corona schließen lässt. Und so machen wir uns – nach einem kurzen Abriss zu Geschichte, Wirtschaft und Sehenswürdigkeiten der Region durch die gebürtige Glauchauerin – auf zu einem mit zahlreichen Terminen und Begegnungen gespickten Tag. Mit dabei ist Sabine Thamm, eine von Springers zwei Wahlkreismitarbeiterinnen bzw. „Kolleginnen“, wie Ines Springer ihre guten Seelen konsequent den ganzen Tag bezeichnet.
Zuerst fahren wir in die Gärtnerei Burckhardt, einem kleinen Familienbetrieb in vierter Generation. Geschäftsführer Thorsten Neubert empfängt die Abgeordnete, die seit wenigen Wochen an der Spitze des Ausschusses für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft im Sächsischen Landtag steht. Ines Springer erkundigt sich, ob die Auflagen der Düngeverordnung seinen Betrieb treffen. Ein Thema, das den Ausschuss gerade sehr beschäftigt. Wenige Tagen zuvor hatte es dazu im Plenarsaal des Landtags eine Anhörung gegeben – drinnen volles Haus, vor dem Parlament ein riesiger Traktorenkorso von Landwirten, die sich dagegen verwahren, zum Sündenbock für Umweltauflagen zu werden. Springer bespricht die aktuelle Lage, nebenbei gibt es noch ein paar Gärtnertipps gratis, und Ines Springer ordert einen Frühlingsstrauß und 20 bunte Primeln. Am Mittag will sie beide Blumengrüße abholen für Menschen, die sie heute noch treffen wird.
Ines Springer kennt in ihrer Heimatstadt gefühlt jeden Stein. Auf unserer Fahrt durch die Kleinstadt in Westsachsen erzählt die Politikerin viele Anekdoten zu einzelnen Häusern, Plätzen und Menschen. Eigentlich habe sie immer weggewollt. Dann ist sie doch geblieben, studierte Kraftfahrzeugtechnik im nahe gelegenen Zwickau, gründete eine Familie und verdiente sich ihren Lebensunterhalt als Ingenieurin. Ihr Einstieg in die Politik erfolgte relativ spät. Seit 1999, da war Ines Springer 43 Jahre alt, sitzt sie im Stadtrat, seit 2009 im Landtag und seit sechs Jahren zudem im Kreistag.
Weiter geht es in die Kleingartensparte Adlerwiese im Herzen der Kleinstadt. Groß ist hier die Sorge. Der Leerstand an Kleingärten ist ein riesiges Problem im ländlichen Raum, das auch vor Glauchau nicht Halt macht. 25.000 Menschen von einst 36.000 leben heute noch in der früheren Textilhochburg. Der Altersdurchschnitt ist hoch, nicht nur hier in der Gartensparte. Uwe Jakobeit vom Territorialverband Glauchau der Gartenfreunde e. V. wartet auf uns – mit ihm eine Kerntruppe der Gartensparte – langjährige Gartenbesitzerinnen und -besitzer, rüstige Rentner um die 70 Jahre, die uns herzlich empfangen. 112 von 261 Gärten sind derzeit verpachtet, Tendenz fallend. Die wenigen Neupächter, junge Leute oder mehrere syrische Familien, die die Gärten zum intensiven Gemüseanbau für die Selbstversorgung nutzen, reichen nicht, um dem Leerstand Herr zu werden. Und auch nicht, um von ehemaligen Pächtern hinterlassene verwüstete und Schrottplätzen ähnelnden Kleinode wieder in Ordnung zu bringen. Ein Teil der Kleingartensparte hat der Verein deshalb jetzt an die Stadt abgegeben. Hier werden bald Einfamilienhäuser stehen. Einen extra Garten brauchen die neuen Grundstücksbesitzer naturgemäß aber wohl eher nicht. Im September wird das Jubiläum „100 Jahre Kleingartenwesen in Sachsen“ in Plauen gefeiert, gibt Uwe Jakobeit Ines Springer noch mit auf den Weg, verbunden mit der Bitte, sie möge den Termin wahrnehmen. Sabine Thamm notiert den Termin.
Feste Bürgersprechstunden bietet Ines Springer nicht an. Von 8 bis 17 Uhr ist ihr Büro montags bis freitags geöffnet. „Die Leute kommen, wie sie möchten, denn sie wissen, dass ich oder meine „Kolleginnen“ immer ansprechbar sind und ein offenes Ohr haben“, erzählt sie. Ines Springer hört zu und konzentriert sich uneingeschränkt auf ihr Gegenüber. Das Smartphone bleibt fast den ganzen Tag in der Tasche. „Ich möchte mit den Menschen reden und mich bei Gesprächen nicht ablenken lassen. Das ist unhöflich“, erklärt Springer, ganz alte Schule.
Am Nachmittag sind wir zu Gast bei Familie Hochstein, die einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchviehhaltung in Glauchau betreibt. Geschäftsführer Holger Hochstein wartet schon auf Ines Springer. Mit am Tisch: seine Frau, der Seniorchef und Tochter Luisa. Sie ist die amtierende sächsische Milchkönigin (der Frühlingsstrauß aus der Gärtnerei Burckhardt wechselt die Besitzerin) und studiert in Dresden-Pillnitz Landwirtschaft. Das Gespräch kreist um die aktuelle Düngemittelverordnung, die Platzierung von Nitratmess-Stellen und natürlich die Demonstration in Dresden in der Vorwoche, an der auch Mitglieder der Familie Hochstein teilgenommen hatten. Hochsteins beklagen zudem die hohe Dokumentationsdichte und -pflicht, die gesunde Produkte garantieren soll, die Landwirte aber auch vor zusätzliche zeitliche Belastungen stellt. Mitten in die Rückreise aus der Landeshauptstadt in die Heimat sei dann auch noch die Nachricht geplatzt, dass ein großer deutscher Discounter niedrigere Milchpreise durchsetzen wolle, kritisiert Tochter Hochstein und schaut die Politikerin fragend an. „Sachsen ist viel zu klein, um dieser Marktmacht etwas entgegensetzen zu können“, räumt Springer freimütig ein. Schließlich besichtigen wir den Stall mit 120 Milchkühen. Kerstin Hochstein erklärt den Betrieb und berichtet nicht ohne Stolz, dass sie regelmäßig Kinder aus umliegenden Kitas und Schulen zu Gast auf dem Hof habe, um ihnen die Landwirtschaft näher zu bringen. Ein Engagement, das ebenso zeitintensiv ist wie es ihr wichtig ist.
Station Nummer vier auf unserer Rundreise durch den Wahlkreis ist die Bäckerei Förster, ein mittelständischer Familienbetrieb mit 33 Filialen in der Region. Juniorchefin Miriam Förster, eine junge Familienmama, zeigt uns ihren Backbetrieb und freut sich über das Wiedersehen mit Ines Springer. Der Backbetrieb steht mitten im Gewerbegebiet von Glauchau, außerhalb des Stadtzentrums. Zur Produktionsstätte gehört ein großes Café. Viele hätten sie für verrückt erklärt, an dieser abseits gelegenen Stelle ein Café zu eröffnen, erinnert sich Miriam Förster im Gespräch mit der Abgeordneten. Der Erfolg hat die Kritiker verstummen lassen. Das Café floriert, ebenso wie die Bäckerei. „Hier wird eigentlich immer gebaut und investiert“, erzählt Ines Springer, als wir uns die neuesten Maschinen in der Produktion anschauen. Auch wenn der oft zitierte Fachkräftemangel hier spürbar ist und die Suche nach geeigneten Lehrlingen, die noch dazu die Arbeitszeiten des Bäckerhandwerks nicht scheuen, die Juniorchefin immer wieder vor Herausforderungen stellt. Auch bei diesem Termin vergeht die Zeit wie im Flug. Den Abschied versüßt uns Miriam Förster mit frisch gebackenem hauseigenem Kuchen, bevor wir uns auf den Weg ins benachbarte Weidensdorf begeben.
Letzte gemeinsame Station ist ein Unternehmen, das frische Weidensdorfer Kartoffeln verarbeitet: Friweika. Ines Springer ist aber heute nicht wegen der Kartoffelprodukte da. Sie informiert sich vielmehr über die Biogasanlage des Unternehmens, die seit 2013/2014 während der laufenden Produktion gebaut wurde. Gespeist wird diese aus Abfällen der unternehmenseigenen Kartoffelverarbeitung. Bei einer Auslastung von durchschnittlich 60 Prozent liefere die Anlage 3 000 Kubikmeter Biogas am Tag. Je nach Entwicklung des Energiemarktes könne die Anlage hoch- oder runtergefahren werden und sei damit ein weiteres Standbein in der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, erklärt Vorstandsmitglied Marko Wunderlich Ines Springer, deren Ausschuss auch für das Thema Energie zuständig ist.
Nach fast neun Stunden in Glauchau geht es für uns zurück nach Dresden. Ines Springer hat noch keinen Feierabend. Sie eilt zu einer nachträglichen Frauentagsveranstaltung bei „Wir im Wehrdigt“ e. V. Mit im Gepäck: Die 20 Primeln aus der Gärtnerei Burckhardt – als kleines Dankeschön für das Engagement der Frauen dort.
Autorin: Katja Ciesluk