Gedenkveranstaltung im Landtag mit Dr. Charlotte Knobloch - Sachsen erinnerte an die Opfer des Nationalsozialismus

9/2016 Datum 27.01.2016

Der Sächsische Landtag und die Staatsregierung des Freistaates gedachten heute mit einer gemeinsamen Veranstaltung der Millionen Opfer des Nationalsozialismus.

Unter den mehr als 300 Gästen waren neben zahlreichen Abgeordneten, Mitgliedern der Staatsregierung und Repräsentanten des öffentlichen Lebens zahlreiche Vertreter von Opferverbänden sowie eine Schulklasse des Dresdner Romain-Rolland-Gymnasiums. Der Synagogenchor Dresden umrahmte die Gedenkveranstaltung musikalisch.

Landtagspräsident Dr. Rößler: Mehr gesellschaftliche Wachsamkeit und politische Entschiedenheit notwendig
Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler hat anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus dazu aufgerufen, sich stets der Geschichte und des Menschheitsverbrechens Holocaust zu erinnern und mit noch mehr gesellschaftlicher Wachsamkeit und noch mehr politischer Entschiedenheit gegen antisemitisches Gedankengut und antijüdische Ressentiments vorzugehen: „Es beschämt mich, wenn Juden in Europa heute wieder in Angst leben, wenn sie wieder ihr Judentum in der Öffentlichkeit verbergen müssen und aus Europa emigrieren“.

„Wir alle sind gefordert, uns dem Antisemitismus, ob verbreitet von Rechtsextremisten, von radikalen Muslimen oder verpackt in einer antizionistischen Aggressivität, entschieden zu erwehren“, so Rößler.

„Hass gegen Menschen darf in Deutschland keinen Platz haben“, betonte Dr. Matthias Rößler bei der Gedenkstunde im Plenarsaal des Sächsischen Landtags mit Blick auf den „aufwogenden Hass auf gesellschaftliche und religiöse Minderheiten, auf Fremde, auf Andersdenkenden, schlichtweg auf andere Menschen“. „Wir müssen ihm mit den unveräußerlichen Werten unserer Verfassung: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaat entgegnen.“

Martin Dulig, stellvertretender Ministerpräsident Sachsen: „Wir tragen die Verantwortung für unser heutiges Handeln.“
„Wir tragen die Verantwortung für unser heutiges Handeln, in dem Bewusstsein und dem Wissen um den Holocaust, dass es nie wieder soweit kommen darf“, so Martin Dulig, stellvertretender Ministerpräsident von Sachsen, heute Vormittag im Sächsischen Landtag. „Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch immer zuerst Mensch ist, jeder die Chance auf ein Leben in Würde erhält und niemand um sein Leben fürchten muss. Deswegen stellen wir uns jedem Versuch, zu relativieren und zu verharmlosen, entschieden in den Weg.“

„Wir brauchen Streit um die Sache und Respekt statt Hetzparolen. Wenn es ein Vermächtnis von Auschwitz für die heutige Zeit gibt, dann ist es die besondere Achtung vor den grundlegenden Werten Vielfalt, Toleranz und Mitgefühl in einer pluralen Gesellschaft. Ich bin zuversichtlich, dass es diese Werte sind, nach denen die allermeisten Menschen leben wollen“, so Dulig weiter.

Gedenkrednerin Dr. Charlotte Knobloch forderte im Sächsischen Landtag mehr Patriotismus und Selbstbewusstsein in Deutschland:
Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern,  Dr. h.c. Charlotte Knobloch, warnte eindringlich vor dem wiedererstarkenden Antisemitismus in Deutschland und ganz Europa. „71 Jahre nach dem Holocaust werden auch in Europa wieder Menschen ausgegrenzt, diffamiert und ermordet, weil Sie Juden sind.“ Das sei ein Armutszeugnis.

Angesichts der enormen nationalen und globalen Herausforderungen für Deutschland appellierte Knobloch daran, den Satz „Wir sind das Volk“ zu re-vitalisieren. Sie forderten alle demokratischen Kräfte auf: „Überlassen Sie das Wir nicht den Falschen, den ideologischen Scharfmachern und Hetzern. Endlich müssen wir in Deutschland einen aufgeklärten, geläuterten Werte-Patriotismus etablieren – müssen stolz und selbstbewusst zu unserem Land stehen. Nur dann können wir die gegenwärtigen enormen globalen und nationalen Herausforderungen stemmen. Nur dann können wir die Errungenschaften der letzten sieben Jahrzehnte vor den vielseitigen freiheitsfeindlichen Tendenzen beschützen. Wir dürfen, ja wir müssen aufrechte Patrioten sein – nicht trotz, sondern wegen unserer schrecklichen Geschichte. Sie mahnt uns, niemals zu vergessen, in welche Katastrophe eine Staats- und Gesellschaftsordnung führt, die von Hass dominiert wird anstatt von Gewissen, Verantwortung und der unbedingten Achtung vor der Würde des Menschen.“

Hintergrund
Der Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 ist seit 1996 auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog offizieller Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Der Sächsische Landtag und die Sächsische Staatsregierung würdigen diesen Tag seit 2006 jedes Jahr mit einer gemeinsamen Gedenkstunde im Plenarsaal des Sächsischen Landtags.