Reise einer sächsischen Abgeordnetendelegation zum Großen Rat Bern

Reise einer sächsischen Abgeordnetendelegation zum Großen Rat Bern

Datum 01.05.2017 bis 04.05.2017

New York Grand Central Terminal

Auf Einladung des Großen Rates des Kantons Bern reiste eine Abgeordnetendelegation des Sächsischen Landtags unter der Leitung von Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler vom 1. bis 4. Mai 2017 in die Schweiz. Die weiteren Delegationsmitglieder waren Vizepräsidentin Andrea Dombois sowie Frank Kupfer, Ines Springer und Lars Rohwer (alle CDU), Susanne Schaper und Lutz Richter (beide Linke) sowie Simone Lang (SPD), Jörg Urban (AfD) und Volkmar Zschocke (Grüne).

Seit 1996 bestehen zwischen den Parlamenten des Kantons Bern in der Schweiz und des Freistaates Sachsen eine Partnerschaft. Höhepunkte der Zusammenarbeit sind die alle zwei Jahre stattfindenden Delegationsbesuche, bei denen neben fachthematischen Gesprächen auch der sogenannte „Blick über den Tellerrand“ der eigenen politischen Arbeit einen wesentlichen Bestandteil bildet. Unvergesslich ist aber auch die ganz konkrete Hilfe, die von Seiten der Berner dem Freistaat zuteil wurde. So überbrachte im Jahr 2010 der damalige Grossratspräsident Gerhard Fischer den Sachsen einen Scheck in Höhe von 100 000 Schweizer Franken für die Opfer der damaligen Hochwasserkatastrophe.

Vom 1. bis 4. Mai 2017 weilte auf Einladung der Berner Kollegen wiederum eine zehnköpfige Delegation, bestehend aus Abgeordneten aller Fraktionen, unter Leitung von Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler im Kanton Bern. Regionaler Gastgeber war die Stadt Thun im Berner Oberland, deren Stadtpräsident Raphael Lanz die Gäste aus Sachsen im Rahmen eines Empfangs herzlich willkommen hieß.

„Energiestrategie 2050“

Inhaltlich startete das Besuchsprogramm mit einem „Thementag Energie“. Dabei stellte das Mitglied des Schweizer Ständerates (Zweite Kammer des Schweizer Nationalparlaments) Werner Luginbühl den sächsischen Abgeordneten die Schweizer Energiepolitik vor. Kernstück dieser Politik ist die „Energiestrategie 2050“, mit der die von der Schweiz im Rahmen des internationalen Klimaabkommens übernommenen Verpflichtungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes erreicht werden sollen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der vom Schweizer Bundesrat und Bundesparlament beschlossene schrittweise Ausstieg aus der Atomenergie. Zur Erreichung der ehrgeizigen Ziele setzt die Schweiz auf die Steigerung der Energieeffizienz sowie die verstärkte Nutzung der erneuerbaren Energien. In einer ersten Etappe sollen bis 2035 der Energieverbrauch pro Kopf um 43 Prozent und der Stromverbrauch um 13 Prozent gesenkt werden. Ein zentrales Problem der Schweizer Energiewirtschaft stellt derzeit die Tatsache dar, dass der aus dem Ausland importierte Strom aus Atomkraftwerken und fossilen Brennstoffen billiger ist als der einheimische aus erneuerbaren Energien erzeugte. Deren politisch gewollter Ausbau kollidiert damit mit dem Anspruch der Schweiz auf eine Unabhängigkeit vom internationalen Strommarkt sowie den ökonomischen Rahmenbedingungen.

Die Stromerzeugung in der Schweiz fußt derzeit zu 36 Prozent auf Kernkraft, zu 58 Prozent auf Wasserkraft und zu 6 Prozent auf anderen erneuerbaren Quellen (z. B. Wind, Biomasse, Solarenergie). Im Bereich der Stromerzeugung durch Wasserkraft ist eines der größten Unternehmen der Schweiz im Kanton Bern zu Haus: die im Jahr 1925 gegründete Kraftwerke Oberhasli AG. In den zehn Kraftwerken des Unternehmens wird mit durchschnittlich 2350 Gigawattstunden pro Jahr genug Strom für rund 1,2 Millionen Menschen produziert. Bei einem Vor-Ort-Termin in den Kraftwerken Handeck 1 bis 3 konnten sich die Abgeordneten des Sächsischen Landtags einen Eindruck von den Bemühungen um den Ausbau der erneuerbaren Energien verschaffen.

Integration von Ausländern als Chance

Als Gesprächspartner für das Thema „Integration von Ausländern: Chancen – Risiken – Herausforderungen“ stand den sächsischen Abgeordneten mit Herrn Manuel Haas der Leiter der zuständige Abteilung der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern zur Verfügung. Er beschrieb anschaulich die Bemühungen des Kantons um die Integration der jährlich ca. 140 000 Zuwanderer nach dem Grundsatz von Fördern und Fordern. Gute Erfahrungen habe der Kanton dabei mit dem sogenannten „Berner Modell“ gemacht. Dabei erfolgt die Betreuung der Zuwanderer grundsätzlich durch die zuständige Gemeinde in Form einer Erstinformation. Bei Bedarf folgt darauf eine vertiefte Beratung durch eine zentrale „Ansprechstelle Integration“. Sollte auch dies nicht ausreichend sein, steht als verbindlichste Maßnahme zur Integration eine zwischen dem Einwanderer und der Migrationsbehörde des Kantons abgeschlossene Integrationsvereinbarung mit genau definierten Rechten und Pflichten parat.

Die Schweiz und die EU – derzeit ein kompliziertes Verhältnis

Die Gespräche der Abgeordneten zum Thema „Europäische Union“ waren von der momentan schwierigen Situation zwischen der EU und dem Nicht-EU-Mitglied Schweiz geprägt. Der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ war es 2014 gelungen, einen Artikel zur „Steuerung der Zuwanderung“ in die Verfassung einzufügen. Dieser Passus ist jedoch nicht mit dem bilateralen Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU vereinbar. Da auch alle anderen bilateralen Verträge untrennbar mit diesem Abkommen verknüpft sind, würde eine Kündigung des Freizügigkeitsabkommens das Gesamtpaket der Beziehungen zwischen der EU mit der Schweiz zur Disposition stellen. Die derzeit dazu zwischen der EU und der Eidgenossenschaft laufenden Gespräche werden auch dadurch erschwert, dass die EU mit Blick auf die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien keinen Präzedenzfall schaffen will.

Neben den intensiven fachpolitischen Gesprächen zwischen den Abgeordneten des Grossen Rates des Kantons Bern und des Sächsischen Landtags standen auch Besuche der Firma Rychinger AG, einem weltweit führenden Hersteller von Verpackungsmaschinen, der Geigenbauschule in Brienz und ein Gedankenaustausch mit dem Geschäftsführer des größten Tourismusunternehmens des Kantons, der Jungfraubahn Holding AG, auf dem Programm.